„Die Eiserne Lady“ von Phyllida Lloyd


Margaret Thatcher als feministische Realpolitikerin?

Margaret Thatcher als feministische Realpolitikerin?

Überangst vor dem Erzfeind

Das Problem an Filmen in denen Meryl Streep eine tragende Rolle spielt, ist, dass andere schauspielerische Leistungen eigentlich nur nebenher ablaufen. Selten kommt da was aufeinander zu und noch seltener hat man als Zuschauer den Eindruck, dass sie in einem Ensemble agiert. Besonders offensichtlich wurde das in jüngster Vergangenheit bei Produktionen wie „Der Teufel trägt Prada“ oder „Von Löwen und Lämmern„. Ob ihre Rollen nun Miranda Priestly („Der Teufel trägt Prada„), Donna („Mamma Mia!„) oder wie dieses Jahr in Phyllida Lloyds „Die Eiserne Lady“ Margaret Thatcher heißen, ist gleich. Stets ist es das selbe puritanische Brechmittel bestehend aus Asexualität, mütterlichem Verantwortungsbewusstsein und der Überangst vor dem Erzfeind schlechthin – dem Mann. Nun mag das in den sonstigen Meryl Streep-Vehikeln eine unfreiwillige Komik gerieren, bei der Aufarbeitung einer der wichtigsten politischen Persönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es schlicht und ergreifend fatal.

Da man hier den schweren Fehler begeht, die eiserne Lady Margaret Thatcher als feministische Realpolitikerin zu verniedlichen. Feminismus ist hier der keinen physischen oder sozialen Ballast mehr duldende Konkurrenzkampf. Es ist nicht mehr wie zu Simons de Beauvoirs Zeiten Avantgarde, einer gesellschaftlichen Bewegung zur Überwindung der repressiven Ungleichbehandlung von Mädchen und Frauen zu verhelfen, vielmehr scheint er eine Veranstaltung zur Niederhaltung der Ansprüche, die der verdrängte Sexus periodisch und nahezu übermächtig dem souverän sich wähnenden Subjekt auferlegt. Vieles von dem was de Beauvoir in ihrem Standardwerk „Das andere Geschlecht“ in den späten 1940er Jahren beschrieb und kritisierte, ist in den Metropolen fast restlos verschwunden und derzeit nur bei manchen migrantischen, insbesondere islamischen Communities anzutreffen: Die Bindung der Mädchen und Frauen ans Haus, das Verbot sexuelle Erfahrungen auch vor der Ehe zu machen, die Reduzierung auf die Gebärerin. Vieles von dem, was Beauvoir forderte, ist erfüllt, ohne dass Erfüllung sich einstellen wollte: gleichberechtigte Bildungsschancen, der allgmeine Zutritt in die männliche Domäne des Berufslebens bis hinauf zu Führungspositionen, das Verschwinden des Eheknasts traditionellen Zuschnitts.

Dass das Patriarchat im beauvoirschen Sinne heute noch existiere und eine ganz perfide Säule des metropolitanen Systems sei, wird zwar unverdrossen behauptet, aber niemals nachgewiesen. Die Alzheimer-Erkrankung von Mrs. Thatcher in diesem Streifen darf als Symbol dafür verstanden werden. Der Zuschauer begleitet Maggie durch ihre gesamte politische Karriere hindurch. Angefangen beim Blitzkrieg in London, ihrem Studium in Oxford, über ihr Amt als Kultus- und Wissenschaftsministerin im Kabinett von Edward Heath, der Auftieg zur Premiereministerin, der Falklandkrieg und das Bombenattentat in Brighton. Hübsch aneinandergereiht erwecken diese Bilder den Eindruck, dass Margaret Thatcher tatsächlich beliebt gewesen ist. Wenn das so ist , dann darf „Onkel Remus‘ Wunderland“ in Zukunft auch als nicht autorisierte Biografie von Julius Caesar herhalten. Das Widersprüchliche der Person Thatcher wird nicht eine Sekunde lang angesprochen oder in eine liebenswerte Schrulligkeit umgedichtet. Man weiß am Ende des Streifens immer noch nicht, warum sie in zwei Umfragen sowohl den 16. Platz unter den 100 größten Briten aller Zeiten erreichte, als auch den dritten Platz unter den 100 schlechtesten. Jack Nicholson sollte demnächst für interessante Frauenrollen herangezogen werden.

Joris J.

Kinostart: 1. März 2012