20. JFFB: „Wakolda“ von Lucía Puenzo
„Wakolda“ ist das intelligent gemachte, historische Drama der argentinischen Regisseurin und Autorin Lucía Puenzo, die mit dem Film ihren eigenen Roman verfilmt hat. Intelligent deswegen, weil sie dem Zuschauer einiges zutraut: Dass der merkwürdige Fremde einer der bekanntesten Naziverbrecher ist, wird zwar mehrmals unmißverständlich angedeutet, aber nicht direkt ausgesprochen. Die deutsche Community in Patagonien verehrt den Gast, wird in ihren Ritualen, die der Nazizeit huldigen, zwar genau dokumentiert, aber nie effekthascherisch ausgeschlachtet. Mengele selbst wirkt von an Anfang an zwar eher verschlossen und unsympathisch, seine Versuche, der Familie zu helfen, könnten aber durchaus auch ehrlich gemeint sein und auf echtem Engagement beruhen. Dass er im stillen Kämmerlein die Fortschritte von Lilith und der schwangeren Mutter detailliert dokumentiert und analysiert, bleibt der gutgläubigen Familie verborgen. Einzig Vater Enzo ist skeptisch – die Hormonbehandlung seiner Tochter läuft denn auch ohne sein Wissen ab.
Mit einer Metaebene macht Regisseurin Puenzo neben dem doppelbödigen Spiel, was Mengele mit seinen auserwählten Versuchsobjekten treibt, noch einmal die perverse Rassenideologie der Nazis deutlich: Mengele gibt die Puppen des Vaters Enzo in Serienproduktion, um ihm wirtschaftlich unter die Arme zu greifen. Waren die Puppen zuvor noch „jede einzigartig“, wie Enzo einmal bemerkt, sind sie in dem Werk, dass er zusammen mit Mengele besucht, nun alle vollkommen identisch. Ungläubig starrt Enzo in die maskenhaften Gesichter seiner in Massenproduktion gleichgemachten Geschöpfte – eine schöne Analogie zum perfektionierten Menschenbild der Nazis, in der nur noch optimalen Genanlagen und keine individuellen Unterschiede mehr gelten sollten.
„Wakolda“ setzt also auf das Vorwissen seiner Zuschauer in Sachen Nationalsozialismus und Nachkriegsgeschichte. Dass dabei auch die Rolle Südamerikas, im speziellen Argentinien und Patagonien, als beliebte neue Wohnorte für gesuchte Naziverbrecher noch einmal kritisch beleuchtet wird, versteht sich von selbst.
Text: Cosima M. Grohmann
„Wakolda„, Regie: Lucía Puenzo, Darsteller: Natalia Oreiro, Àlex Brendemühl, Diego Peretti
Termine beim 20. Jüdische Filmfestival Berlin & Potsdam:
5. April 19 Uhr im Kino Arsenal
13. April 18 Uhr im Kino Eiszeit
Weiterlesen: Ein Blick ins Programm des 20. Jüdischen Filmfestivals Berlin & Potsdam.