„Aferim!“ von Radu Jude
Ritt durch die Ungerechtigkeit
„Die Juden betrügen. Die Türken tun Böses. Und die Rumänen lieben und leiden wie Jesus Christus“, das verkündet der Priester auf seinem Pferdewagen, und der muss es ja wissen, findet Gesetzeshüter Costandin.
„Aferim!“ öffnet dem Zuschauer eine Tür in das Jahr 1835. Die Ansichten der Menschen in Osteuropa sind genauso Schwarz-Weiß, wie die Bilder des Films.
Eine Welt in der die Meinung des Einzelnen nichts zählt und die Nationalität, Religionszugehörigkeit und das Geschlecht das Schicksal bestimmen. „Zigeunersklaven“ sind zum Arbeiten da, werden „Krähen“ genannt und haben eigentlich Glück, dass sie nicht wie früher zum Sport abgeschossen werden. Frauen sind Schlampen und werden natürlich geschlagen. So ist die Ordnung der Welt und das kann nicht geändert werden. Das muss auch die nächste Generation lernen. Derb, vulgär und archaisch sind die Zustände und die Menschen. Jeder kämpft für sein eigenes Überleben und hat doch kaum eine Chance gegen die Mächtigen Landgrafen.
Der rumänische Regisseur Radu Jude schickt in seinem Film „Aferim!„, den Gendarmen Costandin und seinen Sohn Ionita reitend durch die Walachei. Die beiden sind auf der Jagd nach dem „Zigeunersklaven“ Carfin, der dem Bojaren Iordache, dem Landadeligen der Region, entlaufen ist und ihn bestohlen haben soll. Auf dem Weg durch Wälder, Felder und Flüsse treffen der alternde Hauptmann und sein Gehilfe auf Priester, Bauern und Kollegen. Auf den Rücken der Pferde wird fröhlich geflucht, gesungen und über das Leben nachgedacht. Während Ionita die schöne Natur betrachtet, sieht sich Costandin schon dem Grabe nahe und will seinen etwas zu ““eibischen“ Sohn noch einige Weisheiten mitgeben. Er soll trinken lernen „wie ein richtiger Mann“, mit dem Säbel umgehen können „nieder mit den Russen!“, bei einer Prostituierten seinem Vater „alle Ehre machen“ und später zum Militär gehen. Als Carfin schließlich gefunden ist, stellt sich heraus, dass er von der Frau des Bojaren im Stall verführt wurde. Ionita würde den Unschuldigen gerne freilassen, was für den Vater jedoch nicht in Frage kommt. Der akzeptiert zynisch die Ordnung der Welt und die heißt eben der Bojar hat die Macht.
Die Kamera unterstützt mit großen, ruhigen Totalen die Haltung der Charaktere. Nahaufnahmen gibt es selten. Der Mensch ist nur wichtig in seiner Umgebung, als Einzelner wird er kaum wahrgenommen. Regisseur Radu Jude, hatte im Rahmen der Pressekonferenz auf der Berlinale weder Lust auf den Roten Teppich, noch auf Erklärungen. „Ich habe einen historischen Film gemacht, der ein paar Fragen aufwirft, die Antworten habe ich nicht.“, so der Bukarester. „Was uns das lehrt? Keinen blassen Schimmer. Ich wollte keine Lektion erteilen, ich wollte eine Geschichte inszenieren, in der es um die Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart geht.“