„Aferim!“ von Radu Jude



Radu Jude gelingt es ohne Schwere, moralischen Zeigefinger und vorsichtiges, politisch korrektes Herumgehoppse ein Kapitel der osteuropäischen Geschichte nachzuzeichnen, das vielen unbekannt ist. Der Film beruht auf historischen Dokumenten und Liedern. Während europäische Aufklärer im 19. Jahrhundert den Sklavenhandel in Amerika verurteilten, lebte in Osteuropa ein ganzes Volk in der Sklaverei. Vor allem in den verschiedenen Provinzen Rumäniens und Bulgariens waren „Zigeunersklaven“ alltäglich. Erst 1864 wurde ein Gesetz gegen die Sklaverei erlassen.

Durch die Überzeichnung der Figuren und den zum Teil etwas theaterhaft inszenierten Dialoge wird der Film unglaublich komisch und amüsant. Nach priesterlichen Wutausbrüchen, heiteren Trinkgelagen und den verdrehtesten Vorurteilen gegen alles und jeden, wirkt die offen ausgeführte Brutalität am Ende des Films besonders schockierend. Nach einem zaghaften Schlichtungsversuch des Hauptmanns wird der unschuldige „Zigeunersklave“ von dem wütenden Bojaren öffentlich kastriert. Während Carfin noch blutend und schreiend am Boden liegt, reiten Costandin und Ionita schon wieder weiter. „Bald sind wir Zuhause und es ist ja nicht so, dass es dein Bruder war“, sagt der Hauptmann zum Sohn. Er habe ja auch nur seine Arbeit gemacht.

Dieser osteuropäische Western kommt trotz seines brutalen Endes erfrischend leicht vorbeigeritten und schlägt thematische Brücken bis in unsere heutige Zeit.

Maria Stefania Bidian

Aferim!„, Regie: Radu Jude, DarstellerInnen: Teodor Corban, Mihai Comanoiu, Cuzin Toma, Alexandru Dabija, Luminita Gheeorghiu, Victor Rebengiuc, Alberto Dinache, Mihaela Sirbu, Alexandru Bindea, Adina Cristescu

Regisseur Radu Jude gewann den Silbernen Bären für die beste Regie!

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