„Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ von Stina Werenfels



Stina Werenfels lässt die behinderte Dora aufs Leben los und darin hat sie Sex. Tabubruch! Oder doch nicht? Mit Hilfe eines stark aufspielenden Ensembles, an dessen Spitze Victoria Schulz sich als Dora in die Herzen der Zuschauer spielt, dröselt die Regisseurin das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln auf. Schulz selbst lässt das naive, kindliche Mädchen, das sich gegen die Eltern stellt und entgegen jeglicher Vernunft auf den älteren Schwerenöter einlässt, beeindruckend erwachen. Als der reiht Lars Eidinger eine wieder mal herausragende Performance in seine Vita. Sein sozial defizitärer Peter protzt mit Statussymbolen, wirkt aber trotz seiner widerwärtigen Schale sehr allein. Bemitleiden wird ihn trotzdem sicher niemand vor der Leinwand, während sein Peter ohne emotionale Ausschläge durch sein Leben treibt. Die Sympathien sind klar verteilt und häufig bei der von Jenny Schily in großen wie kleinen Gesten toll gespielten Mutter Kristin, die in ihrer Machtlosigkeit immer weiter eskaliert.

Seine größten Stärken entwickelt „Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ wenn Regisseurin Werenfels, deren Werk auf dem Theaterstück von Lukas Bärfuss beruht, die unterschiedlichen Befindlichkeiten in Doras Umfeld empathisch durchleuchtet. Leider verliert sie am Ende des Coming-Of-Age-Dramas ihr Ziel aus den Augen und verliert sich ein wenig in der Courage der eigenen Geschichte, weil die sie offenbar unbedingt eine Antwort formulieren möchte, statt ihren Zuschauern Raum und deren Interpretationen Raum zu überlassen.

Denis Demmerle

Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern„, Regie: Stina Werenfels, DarstellerInnen: Victoria Schulz, Jenny Schily, Lars Eidinger, Urs Jucker, Kinostart: 21. Mai 2015

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