„Aloys“ von Tobias Nölle



Von Anfang an taucht der Zuschauer in die Welt von „Aloys“ wie in einen surrealen Traum ein. Die Hemmungen des Protagonisten im Umgang mit anderen, sein Ungeschick sich auszudrücken und seine offensichtliche Einsamkeit glaubt man, fast physisch selbst zu spüren. Seine Wohnung in einem gesichtslosen Hochhaus erscheint in der Dominanz des umgebenden Graus wie ein Gefängnis voller Gänge, die irgendwohin führen und die Menschen dann in die Anonymität verschlucken. In diesem Umfeld hat sich Aloys zurückgezogen, er selbst ist matt und farblos geworden.

Die Begegnung mit seiner Nachbarin, die telefonisch beginnt und sich in der Realität fast gänzlich darauf beschränkt, öffnet Aloys erstmals einen Zugang zur eigenen Fantasie. Das Motiv des Telefons zieht sich als roter Faden durch den Film und erweist sich als wirkungsvolles dramaturgisches Mittel. Als Abgrenzung zu Aloys’ Realität färbt der Autor die Szenen aus seiner Vorstellungskraft entsprungen in bunte und schrille Farben und Töne. Die Freude, die der Held verspürt ähnelt der eines Kindes, das sich an seinem Geburtstag über Luftballons und Trillerpfeifen amüsiert. Endlich kann Aloys seinen Gästen zeigen, was er kann und alle jubeln. Seine neue Realität, entspricht aber nicht seiner Traumwelt. Das ist die Herausforderung, der sich Aloys schließlich stellen muss.

Das Spielfilmdebüt des Schweizer Tobias Nölle überzeugt durch eine ästhetische und formale Konsequenz sowie durch eine inhaltliche Relevanz. Der porträtierte Sonderling wird nie der Lächerlichkeit preisgegeben, er steht vielmehr stellvertretend für jeden, der in unserer anonymisierten Gesellschaft Anschluss und Liebe sucht und weiß, welcher Herausforderung man sich dabei stellt. „Aloys“ erzählt im Kleinen eine Geschichte der Selbstemanzipation, nimmt Partei für Individualität und die Wichtigkeit von Fantasie und Träumen.

Für die Hauptrolle den Österreicher Georg Friedrich („Über-Ich und Du„, Berlinale 2014) zu verpflichten, war eindeutig ein Glücksgriff, verkörpert er „Aloys“ meisterhaft. Sein österreichischer Akzent wirkt im Kontrast mit dem Schweizerdeutsch seiner Mitmenschen gleichzeitig hochgestochen, distanziert und seltsam. Zu Recht wurde „Aloys“ eine gewisse Parallele zu den thematischen Interessen von Charlie Kaufmann zugesagt, hat Nölle hier ebenfalls einen eindrücklichen Ausflug in die menschliche Psyche unternommen.

Teresa Vena

Aloys„, Regie: Tobias Nölle, Darsteller: Georg Friedrich, Tilde von Overbeck, Kamil Krejci, Yufei Lee, Koi Lee, Kinostart: 24. November 2016

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