„Empörung“ (OT: „Indignation“) von James Schamus


„Indignation“, zu Deutsch „Empörung“, folgt als Adaption eines Philip Roth-Romans nicht der klassischen dramatischen Struktur. Postmodern angelegt, ahnt der aufmerksame Zuschauer schon zu Beginn des Films, wohin Marcus‘ Weg ihn letztlich führen wird. In epischen Linien und mit authentischen Retro-Bildern bestückt, führt Regisseur James Schamus seinen Protagonisten durch ein Setting von schönem Schein und institutionalisierter Biederkeit, ohne sich in prätentiöser Nostalgie zu verlieren. So perfekt, lupenrein und geordnet Marcus‘ Umwelt auch aussehen mag – sie erstickt jede noch so unschuldige Rebellion bereits im Keim und hat keinen Platz für jene, die den Blick über den Tellerrand wagen.

Wie wenig Marcus‘ eigenes moralisches Grundverständnis von Belang ist, zeigt sich nicht nur in den sorgenvollen Ermahnungen der Eltern, sondern umso mehr in den nervenzerfetzenden Verhören durch den Dekan, in dessen Büro er regelmäßig wegen Lappalien vorgeladen wird. Glasklar geschliffene Dialoge, eine zum zerreißen gespannte Atmosphäre und die bemerkenswerte Performance des Jungdarstellers Logan Lerman zeugen hier von einem Kräftemessen, das der adoleszente Marcus trotz seines messerscharfen Verstandes und seiner frühreifen Integrität letztlich nur verlieren kann. Langsam, bedächtig, aber unaufhaltsam erzählt „Indignation“ den aussichtslosen Identitätskampf eines Heranwachsenden, der so viel richtig machen will, für seine liberalen Werte und seine reflektierte Wachsamkeit jedoch nichts als stumpfe Empörung erntet. In einer für Coming-of-Age unüblichen Abwärtsbewegung summieren sich all die sinnlosen Ungerechtigkeiten schlussendlich zu einer tragischen Was-wäre-wenn-Frage auf, in deren Antwort so viel Schönes, Inspirierendes und Lebenswertes gelegen hätte.

Alina Impe

Empörung“ (OT: „Indignation“), Regie: James Schamus; DarstellerInnen: mit Logan Lerman, Sarah Gadon, Tracy Letts, Linda Edmond, Danny Burstein, Kinostart: 16. Februar 2017

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