„Jeder stirbt für sich allein“ von Vincent Perez


Um mögliche Missverständnisse auszuräumen: Es steht außer Frage, dass eine gemeinsame beziehungsweise unterschiedliche Sprache nicht als Exklusivitätsanspruch oder Ausschlusskriterium bei der künstlerischen Be- und Verarbeitung von Geschichte instrumentalisiert werden darf. Der globale Blick von außen auf eine intranationale historische Episode, egal wo, wann oder warum sie sich zugetragen hat, ist per se legitim. Insbesondere, wenn es sich um ein derart schwarzes Kapitel mit menschlichen Tragödien und unmenschlichen Konsequenzen handelt, dessen nie versiegende Aktualität eine multiperspektivische Auseinandersetzung nicht nur rechtfertigt, sondern überdies auch benötigt. Doch Sprache ist nicht nur ein Mittel, um sich mit der Welt zu verständigen und Informationen auszutauschen. Sie ist seit jeher ein integraler Bestandteil von kultureller Herkunft und Identität. Die Identität des Ehepaares Hampel war nebst ihrem persönlichen Miteinander, ihren von Angst und Schrecken durchdrungenen Lebensumständen und ihrem mutigen Aufbegehren gegen ein totalitäres System ebenso in ihre Sprache eingraviert.

Für Perez war die Entscheidung für eine Adaption ins Englischsprachige jedoch vermutlich weniger durch den Wunsch nach einer Vergangenheitsaufarbeitung ohne sprachliche Barrieren inspiriert, deren Überwindung ebenso gut sorgfältig aufbereitete Untertitel hätten leisten können. Das „internationale Niveau“, von dem eingangs die Rede war, meint an dieser Stelle nicht mehr als eine simple aber effektive Marketingstrategie, die dem Film weltweit – auch dank seiner populären Besetzung – zu kommerziellem Erfolg verhelfen soll. In Anbetracht der hohen Produktionskosten vielleicht kein zwingend verwerfliches Vorhaben, aber doch zum Preise der authentischeren Darstellung zweier Menschen, für deren leisen aber unbeugsamen Weckruf in einer politisch und sozial verrohten Zeit ihr muttersprachliches Vermögen, paradoxerweise, ihr einziges und zugleich effektivstes Mittel war.

Alina Impe

„Jeder stirbt für sich allein“, Regie: Vincent Perez, DarstellerInnen: Brendan Gleeson, Emma Thompson, Daniel Brühl, Mikael Persbrandt, Monique Chaumette, Kinostart: 17. November 2016

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