66. Berlinale: „Sufat Chol“ von Elite Zexer
Der lange Weg zur neuen Ordnung
Traditionen reifen über Jahrhunderte durch beständiges, rituelles Einüben normierter Ordnungsmuster. Ihre stete Wiederholung führt dazu, dass sich diese Normen und Regeln immer tiefer in die Biographie einer Kultur hineinfräsen und damit fortwährend die bestehende Ordnung manifestieren. Und dennoch ändern sich die Dinge von Zeit zu Zeit. Nur braucht es auch dafür einen längeren Atem. In „Sufat Chol“ erfährt der Zuschauer nicht viel darüber, woher genau der neue Wind weht, aber der Aufbruch keimt spürbar auf.
In einem Beduinendorf irgendwo in der Wüste Südisraels lebt Jalila mit ihren Kindern und ihrem Ehemann Suleimann in einem eher ärmlich eingerichteten Haus. In ihrem Gesicht spiegelt sich leise Wut, die sich hin und wieder vorsichtig Bahn bricht in ihrer Alltagsroutine, beim Aufräumen beispielsweise. Denn Suleimann heiratet ein zweites Mal und nicht nur die Ausrichtung des Hochzeitsfestes für seine Zweitfrau verlangt Jalila einiges ab. Ihre aus einem Gefühl der Erniedrigung gewachsene Verzweiflung und ihr Zorn bäumen sich weiter auf, als ihr Ehemann mit der neuen Frau in ein nahezu herrschaftliches Haus zieht und sie und die Kinder allein mit einem leeren Kühlschrank, einem defekten Stromgenerator und einem Berg seiner dreckigen Wäsche zurücklässt. Doch sie fügt sich in ihre Rolle als erste Ehefrau und Mutter, die trotz ihres ersten Ranges als Frau doch ohnehin immer nur nachrangig bleibt. Anders ihre Töchter. Sie gehen selbstbewusst zur Schule, dürfen teilweise ohne Verschleierung in die Öffentlichkeit und haben des Vaters Erlaubnis, sich auch zu den Männern dazuzusetzen, wenn er sich mit Verwandten trifft. Deshalb ist sich auch seine älteste Tochter Layla sicher, dass sie sich ihren zukünftigen Ehemann, den sie bereits in Anwar gefunden zu haben glaubt, selbstständig auswählen darf.