„Untitled“ von Michael Glawogger und Monika Willi
„Untitled“ zeigt, was Glawogger, Boa und Siebert vorfanden und für wichtig hielten, festzuhalten. Es ist erstaunlich, wie ein Film mit so wenig Konzept derart fesseln kann. Vielleicht gelingt ihm das, weil er so ruhig gefilmt und realitätsnah ist und weil er tatsächlich Spektakel bietet: Menschen, die auf der Suche nach Diamanten stundenlang im schlammigen Wasser arbeiten, eine Stadt, die nachts nur von Smartphones und Taschenlampen beleuchtet wird und ein Trail durch die Wüste.
Das sind nur ein paar der Beispiele für Szenen, die Glawogger und sein Team in den Monaten ihrer Reise einfangen konnten. Es gibt aber auch Szenen, die einem westlichen Publikum geläufiger sind, etwa ein Spaziergang mit Hund oder Weihnachten bei einer Familie. Hier ist es die außergewöhnliche Weise, in der die Situationen eingefangen wurden, die fasziniert: Mal kommt die Kamera den Menschen, Tieren oder Objekten, die sie filmt, sehr nahe, dann wieder nimmt sie die Position eines Beobachters aus der Distanz ein und filmt etwa durch Fenster das Geschehen in einem Haus. So wirkt es, als wäre der Zuschauer ebenfalls ein Reisender, der als Fremder in der Fremde mit unterschiedlichsten Situationen konfrontiert wird und ihnen mal näher, mal distanzierter begegnet.
In „Untitled“ spricht niemand der Gefilmten. Durch das Voice-Over der britischen Schauspielerin Fiona Shaw („The Tree of Life„) hört man gelegentlich kurze Texte und Gedanken, die Glawogger verfasst hatte. Diese geben dem Film zusätzliche Bedeutung, den Wunsch und die Sehnsucht eines Menschen, in der Fremde eine Heimat zu finden.
„Untitled“ ist das Dokument einer sehr diversen Welt, die schön sein kann – und das Gegenteil. „Untitled„, der erst nach Glawoggers Tod fertiggestellt wurde, setzt dem Schaffen des Regisseurs auf beeindruckende Weise ein Denkmal und berührt als Film durch die präzisen Betrachtungen der Welt, in der wir leben.
Michaela Grouls
„Untitled„, Regie: Michael Glawogger, Monika Willi, Kinostart: 26. Oktober 2017
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