70. Berlinale: „Die Frau, die rannte“ (OT: „Domangchin Yeoja“) von Hong Sang-soo – Siberner Bär für die Beste Regie



Die Frauen, die hier zusammentreffen, haben sich seit längerer Zeit nicht mehr gesehen und wissen auch nicht recht, was sie miteinander reden sollen. Jede von ihnen lebt ein anderes Leben, die eine hat sich ein Reihenhaus außerhalb der Großstadt gekauft und genießt dort die Abgeschiedenheit. Für das leibliche Wohl, da sie selbst nicht kochen kann, sorgt ihre Mitbewohnerin, die streunenden Katzen des Quartiers sind ihrer beider Kinderersatz und die Hühner des Nachbarn, die sich von dem Hahn auf den Kopf picken lassen, ihre Unterhaltung.
Eine andere verdient ihr Geld mit Yogastunden, hält aber noch die Vorstellung aufrecht, künstlerisch Tätig zu sein. Ihre Affäre mit dem Architekten von oben läuft ins Leere, während ein anderer junger Mann ihr seit der einen gemeinsamen Nacht, sie nicht mehr in Ruhe lässt.
Auch die dritte Frau, die Gambee, zufällig oder geplant, das wird nicht ganz klar, trifft, steht Gambee nicht sonderlich nahe. Im Gegenteil stellt sich heraus, dass sie Gambee einmal den Mann ausgespannt hat und mit diesem noch immer zusammen ist. Aus ihm ist ein bekannter Schriftsteller geworden, den Gambee im Fernsehen gesehen hat.

Bei allen Frauengesprächen geht es um Männer. Um Gambees Ehemann, der ihr offenbar, keinen Raum lässt, um den fehlenden Mann im Zwei-Frauen-Haushalt, um die beiden Affären und um den berühmten Schriftsteller, der zu viel redet. Er wiederhole sich ständig, beklagt sich die Freundin. Eine richtige Freundschaft scheint die Frauen, nicht zu verbinden. Die Distanz zwischen ihnen bleibt die ganze Zeit über spürbar, ihre Unterhaltungen sind höflich, keine öffnet sich aber der anderen. Sie verpassen die Gelegenheit, sich über ihre Sehnsüchte auszutauschen. In den präzise komponierten Dialogen oder vielmehr in dem was hinter dem Gesagten liegt, sind diese Reue um verpasste Chancen, unerfüllte Wünsche und wiederkehrende Unsicherheiten sicht- und hörbar.

Trotz der Traurigkeit, die über den Figuren hängt, hat der Film eine leichte, humorvolle Note, die auch vom Schnitt und der Kameraarbeit, die wiederholt auf die Gesichter rein- und rauszoomt, unterstützt wird. Nur einmal, beim Streit mit dem neuzugezogenen Nachbarn, liegt eine glaubwürdige Bestimmtheit in der Stimme der einen Frau, die sonst aufgesetzt wirkt. Hier geht es aber nicht um sie selbst, sondern um die Katzen. Diese hätten ein Recht darauf, seien geradezu darauf angewiesen, dass sie von ihr gefüttert werden. Die dicke Katze in der Einfahrt sieht den Streitenden zu und könnte nicht blasierter wirken.

Teresa Vena

Die Frau, die rannte„, Regie: Hong Sang-soo, Darstellerinnen: Kim Minhee, Seo Younghwa, Song Seonmi

Hong Sang-soo erhielt für seine Tragikomödie bei der 70. Berlinale verdientermaßen den Silbernen Bären für die beste Regie.

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