DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT von Mohammad Rasoulof


Um seinen siebten Spielfilm drehen und produzieren zu können, musste der Regisseur, der keine offiziellen Drehgenehmigungen im Iran bekommt, Schlupflöcher des Systems ausnutzen. Er stellte vier Teams zusammen, die jeweils einen Kurzfilm zu produzieren schienen. Denn die sind einfacher zu produzieren, da sie von der Zensur grundsätzlich weniger beachtet werden. Ein enormer Organisationsaufwand, da die Filme zu unterschiedlichen Zeiten gedreht und produziert wurden, um keine Bezüge zueinander herzustellen.
Bis auf die erste in Teheran gedrehte Eposide drehte Rasulof in abgelegenen, ländlichen Gebieten, um selbst am Set anwesend sein zu können, ohne das Projekt zu gefährden. In einer seltenen Version des von Milva interpretierten Partisanenliedes „Bella Ciao„, das er im Film an einer Stelle zitiert, heißt es dazu passend: „Aber eines Tages werden wir in Freiheit arbeiten“. Der Film ist voll mit Referenzen an die eigene Geschichte und das Leben der Menschen im Iran. Der Song ist in dem Zusammenhang gleichzeitig eine Erinnerung an die Straßenproteste 2019, bei denen auch die im Lied besungene verlorene Jugend den Text in Persisch sang. Offiziell gibt es die Filme des Regisseurs im Iran jedoch nicht. Kinos werden den Film nicht zeigen können, wenn sie sich nicht aktiv mit dem System anlegen wollen, auch wenn genau das die Botschaft des Filmes ist, wie Produzent Kaveh Farnem erklärt. Doch es gibt andere Wege, wie die Bevölkerung an die verbotenen Filme gelangt, wie Jafar Panahi schon in TAXI TEHERAN zeigte.

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DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT ist zugleich Anklage und Beschwörungsformel in einem. Regisseur Rasoulof nimmt kein Blatt mehr vor den Mund, versteckt seine Regimekritik nicht mehr in subtilem Symbolismus, sondern spuckt die Konflikte laut aus. Deutlich inszeniert er dabei in brutalen Dialogen die Zerrissenheit seiner Figuren. Er macht die immer gegenwärtige Präsenz von Uniformen deutlich, die als dritter Körper und Macht die Räume bestimmen. Gleichzeitig drückt der 1973 in Schiras geborene Filmemacher seine Liebe zu seinem Land in sehnsuchtsvollen und poetischen Landschaftsaufnahmen aus. Produzent Kaveh Farnem, der mit Baran Rasoulof den Goldenen Bären für den Besten Film in Berlin stellvertretend für Mohammad Rasoulof entgegennahm, brachte die Botschaft des Filmes mit Verweis auf die Berliner Geschichte auf den Punkt, mit den Worten: „Es gibt keine Mauern auf dieser Welt, die Ideen, den Glauben oder die Liebe aufhalten könnten. Nur das Leben von Diktatoren wird durch diese Mauern kleiner und kleiner.“

SuT

DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT gewann bei den 70. Internationalen Filmfestspielen Berlin den Goldenen Bären, Regie: Mohammad Rasoulof; DarstellerInnen: Ehsan Mirhosseini, Shaghayegh Shourian, Kaveh Ahangar, Alireza Zareparast, Salar Khamse, Baran Rasoulof

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