72. Berlinale: MILLIE LIES LOW von Michelle Savill


MILLIE LIES LOW © Sandy Lane Productions

Alles für Instagram

Für Millie (Ana Scotney) läuft es super – jedenfalls glaubt das ihr Umfeld. Den Studienabschluss in Architektur hat sie in der Tasche und freut sich auf ihr Praktikum in einem renommierten Architekturbüro in New York City. Doch im Flugzeug, das noch auf dem Flughafen in Wellington steht, passiert es: Millie bekommt eine Panikattacke, flüchtet aus dem Flugzeug – und versucht, das Geld für das Ticket zurückzubekommen. Aber keine Chance. Schließlich sei es kein medizinischer Notfall gewesen, so die Dame am Flughafenschalter. Verzweifelt sitzt Millie am Flughafen, hinter ihr ein riesiges Plakat mit ihrem Gesicht, das Millie als das Aushängeschild der Architekturhochschule Wellington präsentiert.

Was tun? Ohne Geld, ohne Dach über dem Kopf und voller Scham versucht Millie ihren Freund:innen aus Wellington per Instagram und Skype vorzuspielen, sie sei wie geplant in den USA. Ein geklautes New York-Poster und eine heruntergekommene Ziegelmauer neben ein paar Mülltonnen inszeniert sie auf Skype als stylishes Appartement im Industriedesign in New York City. Bei dem Versuch, an Geld für ein neues Flugticket zu kommen, verstrickt sich Millie schnell in immer abstrusere Geschichten: Sie geht nicht nur mit Motorradhelm und Plastiktüte verkleidet auf Carolyns (Jillian Ngyuen) Kostümparty und versucht immer wieder, einen Kredit bei Steve von „Money in a hurry“zu bekommen, sondern klaut ein Auto, einen Pass – und ein Kaninchen. Und dann kündigt auch noch ihr Freund Henry (Chris Alosio) an, am nächsten Tag nach New York fliegen zu wollen, um sie zu besuchen.

Regisseurin und Drehbuchautorin Michelle Savill, 1984 auf den Philippinen geboren und wie ihre Filmfigur Millie dort aufgewachsen, lebt und arbeitet in Auckland, Neuseeland, und ist Berlinale Talents-Alumna. Mit ihren Kurzfilmen war sie auf zahlreichen internationalen Filmfestivals zu Gast, u.a. mit dem preisgekrönten ELLEN IS LEAVING in Austin, San Francisco und Clermont-Ferrand. Als Michelle Savill zum Festival nach Frankreich fliegen wollte, verpasste sie ihren Flug – und dachte aus Scham kurz daran, vorzugeben, sie sei wie geplant schon in Frankreich. Die Idee für ihre herrlich schräge Tragikomödie MILLIE LIES LOW, ihren ersten Langspielfilm, entstand.

Am Beispiel der jungen Absolventin Millie zeigt Michelle Savill auf skurrile Weise, wie schwer es Betroffenen fallen kann, über psychische Probleme zu sprechen. Statt ihren Freund:innen ehrlich anzuvertrauen, dass sie unter Panikattacken leidet, verwickelt sich Millie in immer absurdere Lügengeschichten. Auch ihrer Familie vertraut Millie ihre Probleme nicht an, sondern zeltet lieber trotz strömendem Regen heimlich hinter ihrem Elternhaus – und fügt ihre Selfies aus dem Zelt per Photoshop in New York-Fotos aus der Google-Bildersuche ein, die sie danach auf Instagram postet. Millies kreative Einfälle zur Online-Selbstinszenierung sind ein großer Spaß für die Zuschauer:innen, doch der Film sendet eine wichtige Botschaft: Niemand sollte sich für psychische Probleme wie etwa Angststörungen schämen müssen. Und: Instagram zeigt nicht (unbedingt) das wahre Leben.

Stefanie Borowsky

MILLIE LIES LOW, Regie: Michelle Savill. Mit: Ana Scotney, Jillian Nguyen, Chris Alosio, Rachel House, Sam Cotton.

Termine bei der 72. Berlinale:
Sonntag, 13. Februar, 21:00 Uhr, HKW
Montag, 14. Februar, 14:00 Uhr, Cineplex Titania
Donnerstag, 17. Februar, 17:00 Uhr, Cubix 8
Freitag, 18. Februar, 15:00 Uhr, CinemaxX 2
Freitag, 18. Februar, 15:00 Uhr, CinemaxX 1
Sonntag, 20. Februar, 14:00 Uhr, Cubix 8