74. Berlinale: DAHOMEY von Mati Diop
Die Kulturschätze Benins sprechen zu uns
Die Debatte um die Rückgabe kolonialer Raubgüter endet oft in dem Moment, in dem die Transportkisten versiegelt und versandt werden. Nicht so in Mati Diops DAHOMEY. Die französisch-senegalesische Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin setzt genau an diesem Punkt an und fragt: Wie geht es weiter im Herkunftsland? Wie präsentiert man dort die Kunst, was bedeutet die Rückgabe für die Menschen vor Ort?
Konkret geht es um die Restitution von 26 Kunstwerken aus dem ehemaligen Königreich Dahomey, heute Benin, die 1892 von französischen Kolonialtruppen geraubt wurden. Kunstwerk Nummer 26 ist eine Statue des König und Kriegers Ghézo. Wir sehen, wie sie vorsichtig verladen wird und dann spricht sie zu uns: Aus dem Dunkel der Holzkiste, vor der schwarzen Leinwand erzählt der Geist von König Ghézo von der Reise über das Meer, von Rückkehr und Heimat; nimmt auf die „shores of our wounds“ Bezug. Es sind poetische Worte, die eine fast hypnotische Qualität entfalten, auch weil gleichzeitig eine männliche und eine weibliche Stimme in Fon zu uns sprechen.
Diese poetische Ebene wird durch die nüchternen, dokumentarischen Bilder kontrastiert und ergänzt. Wir sehen, wie die wunderbaren Kunstwerke wieder aus den Kisten befreit und im Musee Historique d’Abomey in Cotonou aufgestellt werden, wie die feierlich gekleideten Ehrengäste erscheinen, aber auch wie junge Menschen die Kunstwerke beäugen. Vor allem aber beobachten wir immer wieder eine Diskussionsrunde von Studierenden der Universität von Abomey-Calavi, die gemeinsam erörtert, was die Rückkehr bedeutet. Für die einen ist es ein Anfang, ein Geschenk, die 26 Kunstwerke zurück zu haben. Die anderen empfinden es als Beleidigung, dass von 2000 geraubten Kunstwerken gerade einmal 26 zurückkehren. Sie sind wütend; bewerten auch den Akt der Restitution als paternalistische Geste, die Frankreich gut dastehen lassen soll. Die einen fragen sich, wie die Kunstwerke der breiten Bevölkerung zugänglich gemacht werden sollen, die anderen sind ohnehin dafür, sie wieder für ihre ursprünglichen Zwecke, sprich den Einsatz in Voodoo-Ritualen, zu verwenden. Das Meinungsbild ist heterogen.
Es sind diese jungen Studierenden, die Diops hybriden Dokumentarfilm so sehenswert machen. Deren Meinungen nachhallen. Und die auch klar machen, dass die notwendige Rückgabe nicht eben „einfach“ ist, oder Glück beschert, sondern vielmehr ein schmerzlicher und komplexer Prozess ist für die Menschen in den jeweiligen Herkunftsländern. Ein Prozess, den man zeigen sollte, weil auch er für die Aufarbeitung der kolonialen europäischen Geschichte wichtig ist.
Weitere Termine bei der 74. Berlinale
Sonntag, 25.02., 21:30 Uhr, Berlinale Palast (ausverkauft)