74. Berlinale: REINAS von Klaudia Reynicke; Großer Preis der Internationalen Jury für den Besten Spielfilm Kplus


REINAS © Diego Romero
REINAS © Diego Romero

Schwieriger Abschied

1992 in Lima, Peru: Ein bewaffneter Konflikt beherrscht das südamerikanische Land, die politische und wirtschaftliche Lage ist instabil, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Elena (Jimena Lindo) beschließt, mit ihren Töchtern, Teenagerin Aurora (Luana Vega) und der ein paar Jahre jüngeren Lucia (Abril Gjurinovic), in die USA auszureisen. Doch dazu braucht sie die Unterschrift des Vaters der Mädchen, der plötzlich wieder in das Leben der drei tritt. Zunächst begegnen die Schwestern ihrem Vater, den sie kaum kennen, skeptisch, doch je mehr Zeit Aurora und Lucia mit Carlos (Gonzalo Molina) verbringen, der zwar nicht immer ehrlich, aber für jeden Spaß zu haben ist, desto weniger möchten die beiden ihre gewohnte Umgebung, Freund*innen und Familie zurücklassen.

REINAS von Klaudia Reynicke war bereits beim Sundance Film Festival 2024 zu sehen und feierte auf der Berlinale 2024 seine Europapremiere. In Berlin gewann Reynicke den Großen Preis der Internationalen Jury für den Besten Spielfilm in der Sektion Generation Kplus. Die Filmemacherin hat selbst Erfahrungen mit Abschieden und Neuanfängen: Sie verließ Peru als Kind, wuchs danach in der Schweiz und den USA auf und studierte unter anderem an der Tisch School of the Arts in New York. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen zum Thema Migration widmet sich Reynicke in REINAS der schwierigen Zeit vor dem Abschied aus dem Herkunftsland – und all dem, was die beiden jungen Protagonistinnen durch das Auswandern zu verlieren drohen. 

Dabei bleibt die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin immer nah an der Perspektive ihrer beiden jungen Heldinnen, erzählt feinfühlig und mit leisem Humor von einer Familie, die sich an einem Wendepunkt ihres Lebens neu (er)findet. Ihre Figuren, vor allem die Schwestern Aurora und Lucia und ihre Eltern, sind komplex angelegt, haben positive wie negative Seiten, und bleiben in ihren Handlungen dennoch oder gerade deswegen nachvollziehbar. Darüber hinaus vermittelt Reynicke in ihrer Coming-of-Age-Geschichte einen kleinen Eindruck der Situation in Peru Anfang der 1990er, als die Filmemacherin selbst dort lebte, lässt die Ära durch Szenen- und Kostümbild sowie Musik und Fernsehen im Hintergrund wieder aufleben und macht auch Polizeigewalt und sexuelle Belästigung durch einen Polizeibeamten sichtbar, ohne jedoch ihr junges Zielpublikum aus dem Blick zu verlieren.