Berlinale: EIGHTY PLUS (OT: RESTITUCIJA, ILI, SAN I JAVA STARE GARDE) von Želimir Žilnik


Restitucija, ili, San i java stare garde © Playground produkcija
Restitucija, ili, San i java stare garde © Playground produkcija

Die Jahre nutzen

RESTITUCIJA, ILI, SAN I JAVA STARE GARDE (80+) des serbischen Regisseurs Želimir Žilnik erzählt die Geschichte eines bewegten Lebens. Der Protagonist Stevan Arsin (Milan Kovačević), der seinen 90ern näher ist als seinen 80ern, weiß jeden Tag mit bewundernswerter Weisheit, Geselligkeit und Gleichmut zu nutzen. RESTITUCIJA, ILI, SAN I JAVA STARE GARDE begleitet ihn – den Berufsmusiker und ehemaliges Mitglied der Band The Montenegro Five –, der nach Serbien zurückkehrt, um ein Haus und ein Grundstück zurückzuerhalten, die seiner Familie während des Zweiten Weltkrieges enteignet worden waren. Zusammen mit einem alten Schulfreund und der Tochter eines Freundes aus Wien, Nina, die an einer Dissertation über Frauen im Kommunismus und Postkommunismus schreibt, besichtigen sie das verfallene Anwesen und stoßen gleich auf die erste Hürde, denn nicht alle sind begeistert, dass der ehemalige Besitzer noch lebt und das Land ihm zugesprochen wurde.

Stevan steht außerdem vor der Frage, was er mit dem Haus machen soll, das voller Erinnerungen steckt, ehemals prächtig, aber jetzt so baufällig, dass es kaum noch bewohnbar ist – und dann ist da noch seine Familie, die er einst in Serbien zurücklassen musste …

RESTITUCIJA, ILI, SAN I JAVA STARE GARDE zu sehen, ist eine große Freude – man kann es nicht anders sagen. Hier erzählt ein Regisseur, der selbst über 80 Jahre alt ist (82, um genau zu sein), die Geschichte eines über 80-Jährigen, der im Hier und Jetzt lebt, dessen bewegtes Leben voller Erinnerungen ihn aber wie ein Freund immer begleitet. So trifft er bei seiner Rückkehr nach Serbien auf alte Freund*innen und Bekannte und lässt neue an seinen Geschichten aus vergangenen Tagen teilhaben. Die Zeiten ändern sich, das wird auch in seiner Heimat deutlich: Das Haus seiner Kindheit ist verfallen, Baustellen an der Donau künden vom wirtschaftlichen Wandel und seiner Enkelin und ihrer Familie geht es längst nicht so gut wie dem Rest der Familie. Doch die Sonne scheint unbeirrt, die Felder leuchten, Wälder und Wiesen sind grün wie in Stevans Kindheit – Želimir Žilnik hat einen Sommerfilm gedreht, der anrührend und manchmal romantisch ist. Stevan weiß –  und das mag auch an seiner Karriere als Berufsmusiker liegen –, dass materielle Dinge viel weniger zählen als Begegnungen und Erinnerungen, die man im Laufe eines Lebens sammeln kann.

Želimir Žilnik gewann 1969 mit seinem Langfilmdebüt RANI RADOVI (dt.: FRÜHE WERKE) den Goldenen Bären der Berlinale. 2014 widmete ihm das Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. eine Werkschau. So ist es nur folgerichtig, dass RESTITUCIJA, ILI, SAN I JAVA STARE GARDE in der Sektion „Forum“ der Berlinale gezeigt wird, die vom Arsenal kuratiert und organisiert wird.

Der Film ist das warmherzige, berührende Alterswerk eines zeitlebens politischen Filmemachers. Hauptdarsteller Milan Kovačević war wie seine fiktive Figur Stevan Mitglied der Band The Montenegro Five. Realität und Fiktion verschwimmen hier – eine Technik, für die Želimir Žilnik bekannt ist, drehte er doch in seiner langen Karriere zahlreiche Doku-Dramen.

Und so deutet auch RESTITUCIJA, ILI, SAN I JAVA STARE GARDE auf politische und gesellschaftliche Missstände hin, wie im Fall der besagten Enkelin, die sich bei der Arbeitssuche behindert sieht und Migrant*innen ungerechtfertigterweise für ihre prekäre Situation mitverantwortlich macht. Ohne Stevan wäre sie mit ihrem Mann und ihren drei kleinen Kindern obdachlos. Vieles verändert sich, und nicht zum Guten, wie Stevan an der Donaubaustelle feststellen muss. Aber es gibt eben auch die drei „Engel“ – seine kleinen Urenkel*innen –, Jamsessions mit alten Freund*innen und so viele nette Bekanntschaften – und so heißt es für Stevan Pläne schmieden – und davon hat er noch jede Menge. 

In einer Gesellschaft, die weltweit so auf Jugendlichkeit fixiert ist, sollte man die älteren Generationen nicht aus den Augen verlieren, ihre Geschichten erzählen, auch ihnen mehr Filme widmen und sie erzählen lassen. Davon können wir mitunter alle profitieren.

Termine bei der 75. Berlinale:
Montag, 17. Februar, 21.30 Uhr, Arsenal 1
Dienstag, 18. Februar, 18:00 Uhr, Arsenal 1