„Werk ohne Autor“ von Florian Henckel von Donnersmarck



Getragen wird das dreistündige Drama von dem hervorragenden Spiel Schillings, der die Figur des Kurt Barnet übernimmt und seines Gegenspielers Koch als dessen Schwiegervater Carl Seeband. Besonders Sebastian Koch brilliert mit einer äußerst undurchsichtigen Figur, die zwischen Sympathie und Abneigung bei Zuschauer verhandeln will. Erneut schafft es Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck („Das Leben der Anderen“) einen verstörenden wie hervorragenden Film zu schaffen. „Werk ohne Autor“ ist der dritte Spielfilm von Von Donnersmarck. Sein Debüt „Das Leben der Anderen“ (auch mit Sebastian Koch) brachte ihm 2007 den Oscar nach Hause.

Insgesamt vier Jahre dauerten die Vorbereitungen zum Film. Von Donnersmarck beschreibt ihn selbst als „kompromisslos ehrlich und spannend“. Die Story orientiert sich an der Lebensgeschichte des berühmten Malers Gerhard Richter. Wenige kennen das Trauma Richters und die Geschichte seiner Tante. Der Film setzt genau dort an. Er erzählt über drei Stunden hinweg den Umgang des Künstlers (im Film Kurt Barnet genannt) mit seinem Trauma und wie er dieses verarbeitet. In Vorbereitung auf den Film setzten sich Regisseur und Maler zusammen und besuchten auch Orte der Kindheit Richters, u.a. in Dresden. Das Drama ist der Versuch eine dichterische Wahrheit zu finden. Dem Film gelingt es den schmalen Grad zwischen Wahrheit und Fiktion, Opfer und Täter, Kunst und Gefahr miteinander zu verknüpfen.

Besonders auffällig ist, dass der Film mit sehr vielen Nah- und Detailaufnahmen arbeitet. Vor allem in Szenen in denen die Findung der Kunst im Vordergrund steht, ist dies zu beobachten. Aber auch zu Anfang, um die Beziehung zwischen Kurt und seiner Tante zu verdeutlichen. Die Zuschauer spüren durch den Kamerablick die starke Verbindung der beiden. Umso verstörender gerät durch das Stilmittel die Abführung von Elisabeth. Später greift von Donnersmarck beim Zusammentreffen von Ellie und Kurt wieder darauf zurück, um das Zulassen von Nähe zu betonen.

Ebenfalls auffällig ist das Spiel mit der Schärfenverlagerung: In Momenten der besonderen Prägung verschwimmt das Bild: Elisabeths Abführung, der Tod der Tante und der Onkels, der Selbstmord des Vaters… das Bild wird unscharf. Augenscheinlich ein Bruch in Elisabeths Aufforderung immer hinzusehen und niemals wegzusehen. Erst in der Zeit an der Kunstakademie in Düsseldorf wird klar, dass genau diese unscharfen Momente, die schärfsten und einprägsamsten Erinnerungen in Kurts Leben waren. Er überträgt sie auf seine Werke. Ein gelungener Schachzug der Filmemacher. Die Unschärfe fordert den Betrachter auf, den eigenen Blick zu schärfen, genauer hinzusehen – so wie Kurt es auch muss. Der Blickwinkel muss verändert werden. Die Unschärfe versucht den Blick auf die Wahrheit in der Kunst zu fordern und zu fördern.

Werk ohne Autor“ ist, damit behält der Regisseur mit dem Recht, was er selbst sagt, tatsächlich schonungslos ehrlich und verstörend spannend. Mehr als einmal ist das Publikum hin und hergerissen von den Taten Carl Seebands. Kochs Darstellung ist großartiges Schauspiel und macht den Film zu erstklassigen deutschen Kino. Drei Stunden vergehen wie im Flug. Zu keiner Zeit wird die Geschichte langatmig oder schleppend. „Werk ohne Autor“ gibt einen neuen Blick auf die Kunst und zeigt, dass die Wahrheit immer im Auge des Betrachters liegt.

Sophia Förtsch

Werk ohne Autor“ Regie & Buch: Florian Henckel von Donnersmarck. DarstellerInnen: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer, Saskia Rosendahl, Ina Weisse, Cai Cohrs, Oliver Masucci, Ben Becker. Kinostart: 3. Oktober 2018

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