„Motherland“ von Tomas Vengris



Motherland„, Tomas Vengris‘ erster Langfilm, ist ein feinfühliges, dicht erzähltes Coming-of-Age-Drama, das sich vor dem Hintergrund der politischen Lage in Litauen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entfaltet. Erzählt wird aus der Sicht des 12-jährigen Kovas. Die Kamera bleibt immer nah bei Kovas, beobachtet und belauscht mit ihm die Gespräche der Erwachsenen und fängt mit ihm nur Bruchstücke ihrer Konversationen ein. Mit Kovas beobachten auch die Filmzuschauer*innen aus der Ferne, durch Fenster oder Türen seine Mutter Viktorija.

Viktorija, eindrücklich verkörpert von Severija Janušauskaitė, die in „Babylon Berlin“ spielte und den kongenialen Song „Zu Asche, zu Staub“ sang, ist vor allem nostalgisch. Während Viktorija nicht nur durch die Rückkehr in ihr Heimatland, sondern auch durch den Kontakt zu ihrem Jugendfreund alte Erinnerungen an ihre Zeit in Litauen wiederbeleben will, kommt der in den USA geborene Kovas in ein ihm völlig unbekanntes Land. Er spricht zwar fließend Litauisch, doch das Geburtsland seiner Mutter erscheint ihm fremd.

Regisseur und Drehbuchautor Tomas Vengris inszeniert den typischen Habitus eines US-Teenagers der 90er-Jahre. Durch Süßigkeiten aus den USA, die Kovas anderen Kindern anbietet, durch seinen Gameboy und seine teure Uhr fällt er den anderen Kindern auf und wird als „anders“ und „nicht zugehörig“ charakterisiert. Der introvertierte Junge, hervorragend dargestellt von Matas Metlevski, leidet unter der Trennung der Eltern und sucht Halt. Als guter Beobachter führt er durch eine Entdeckung schließlich eine entscheidende Wendung im Verlauf der Geschichte herbei.

Das Gefühl des Hin- und Hergerissenseins zwischen Heimat und Fremde durchzieht den gesamten Film von Tomas Vengris, der selbst als Kind litauischer Einwanderer in den USA aufwuchs und in Litauen, aber auch in den USA studierte – an der Columbia University, an der Vilnius Academy of Arts und am American Film Institute Conservatory. Den Rahmen der Filmhandlung bildet eine Geschichte, die Viktorija ihrem Sohn Kovas immer wieder erzählt. Es ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, eine Geschichte von Verlorenheit und der Suche nach Zugehörigkeit – Viktorijas Geschichte.
Das Konstrukt der „Heimat“ hat viele Gesichter. Auch Viktorija und Kovas müssen entscheiden, was Heimat für sie persönlich bedeutet.

Stefanie Borowsky

Motherland“ (DT: „Mutterland„, OT: „Gimtinė„), Regie: Tomas Vengris; DarstellerInnen: Severija Janušauskaitė, Matas Metlevski, Darius Gumauskas, Barbora Bareikytė

Termine beim 29. FilmFestival Cottbus:
Spectrum
Dienstag, 05.11.2019, 19:00 Uhr, Glad-House
Sonntag, 10.11.2019, 10:30 Uhr, Weltspiegel

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