„A War“ von Tobias Lindholm



Ohne die Moralkeule zu schwingen oder den Zuschauer missionieren zu wollen, beschreibt Lindholm ein Grundgesetz kriegerischer Auseinandersetzungen: Es gibt keinen Krieg, bei dem man sich nicht die Hände schmutzig macht. Krieg ist hässlich, dreckig, feindselig und unkalkulierbar. Bruchteile von Sekunden entscheiden über Leben und Tod. Zeit ist also keine verfügbare Größe, wenn es um die „richtigen“ Entscheidungen geht. Sie wäre aber notwendig, um die zu berücksichtigenden Faktoren, wie die Vermeidung ziviler Opfer, wirklich auszuschließen. Doch Feind und Bedrohung sind oft ein diffuses Unbekanntes, das selten als direkter Gegner in Erscheinung tritt.

Messerscharf seziert der Regisseur und Drehbuchautor – in letzterer Funktion zeigte er sich u.a. auch für die herausragenden Drehbücher zu Thomas Vinterbergs „Die Jagd“ und die ersten beiden Staffeln der Politserie „Borgen“ verantwortlich – seine Geschichte um Gewissenskonflikte und Fürsorgepflicht und beleuchtet die Ambivalenz von moralischen und ethisch korrekten Fragen. Dabei beweist der 39-jährige Däne ein einzigartiges Gespür und eine für das dänische Kino so typisch sensible Beobachtungsgabe für die Schauplätze, der im Inneren ausgetragenen Schlachten seiner Protagonisten. Unterstützt durch Magnus Nordenhof Jøncks Handkamera und den Einsatz von Laiendarstellern, in den Filmsequenzen in Afghanistan (gedreht wurde allerdings in der Türkei), entwickelt Tobias Lindholm einen dokumentarischen Realismus, der keine Möglichkeit lässt, auf Distanz zur Geschichte zu gehen. Beklemmend, wie sehr dabei gerade die Gefechtsszenen an Faroukys und McEvoys 2015 auf der Berlinale ausgezeichneten, afghanischen Dokumentarfilm „Tell Spring not To Come This Year“ erinnern. Der Zuschauer soll involviert werden und dem nervenzerreißenden Dilemma – soweit möglich – selbst begegnen. Und in der Tat geht dem Zuschauer unablässig nur eine Frage durch den Kopf, wie würdest du entscheiden?

Weiterlesen: Unsere Berlinale-Kritik zu „Tell Spring not To Come This Year„…

Anders als große Blockbusterproduktionen, setzt der Autorenfilmer weniger auf Effekt und Action, sondern lässt sich auf die Psychologie seiner Personen ein. Er macht sich die Mühe, mit einigen Mythen und blinden Flecken über Militär, Krieg und Einsatzkräfte zu brechen. Die inneren Konflikte lässt der Zuschauer nicht im Saal, die brüten weiter im Kopf und werden da wohl auch noch einige Tage weiter verharren. In einer Zeit, in der Afghanistan, zum sicheren Herkunftsland erklärt werden soll, wo aber – wie die NBC erst Ende Januar berichtete – inzwischen 30 % des Landes von den Taliban kontrolliert werden, und in dem sich bis Ende 2016 die US-amerikanischen Truppen komplett zurückgezogen haben sollen, lenkt Lindholm den Blick auf aktuelle, wenn auch verschüttete Themen. Kino, das einen nicht einfach gehen lässt.

SuT

A War„, Regie: Tobias Lindholm; DarstellerInnen: Pilou Asbaek, Tuva Novotny, Dar Salim, Søren Malling, Kinostart: 14. April 2016

1 2