„’71“ von Yann Demange


Der junge, ahnungslose britische Soldat Gary Hook (Jack O'Connell) gerät zwischen die Fronten. Foto: Berlinale

Der junge, ahnungslose britische Soldat Gary Hook (Jack O’Connell) gerät zwischen die Fronten. Foto: Berlinale

Poor Cunt zwischen den Fronten

„’71“ – ein Film wie sein Titel. Kein Schmuck, kein Zierrat, kein Schnörkel – für solche Extravaganzen war im Belfast des Jahres 1971 lange kein Platz mehr. In Nordirland standen sich die irisch-katholischen Republikaner und die britisch-protestantischen Unionisten unversöhnlich gegenüber. Riots, Vertreibungen, Schießereien und Sprengstoffanschläge hatten die vierte Teilrepublik des Vereinigten Königreichs in ein Kriegsgebiet verwandelt. Seit dem Jahr 1969 sah sich die britische Regierung genötigt, militärisch für Ordnung zu sorgen. Doch die königliche Armee wurde von der irischen Seite bald als Besatzungsmacht empfunden.

Eine explosive Situation also, in die der junge, ahnungslose britische Soldat Gary Hook (Jack O’Connell) mit seiner Einheit geschickt wurde. Und tatsächlich: Bei einer vollkommen missglückten Hausdurchsuchung verliert Gary den Anschluss an seine Truppe und muss sich von nun an allein durch das feindselige Belfast kämpfen – ständig auf der Flucht vor einer blutdürstenden Gruppe junger Republikaner. Er begegnet feindseligen, hasserfüllten, machtbewussten aber auch hilfsbereiten Menschen und lernt in einer Nacht mehr über den Nordirland-Konflikt, als er ertragen kann. Regisseur Yann Demange verpasst „’71“ einen soliden, stets spannenden Mantel, der jedoch womöglich ein wenig zu viel Hide-and-Seek, ein wenig zu viel Survivalporn mit wackeliger Handkamera bietet. Sinn macht das allerdings schon: Worte sind vor der Eskalation eines Konflikts in der Regel mehr als genug gefallen, die Bewohner Belfasts ließen im Jahr 1971 lieber Taten sprechen.

Dank des cleveren Drehbuchs von Gregory Burke sind Erklärungen auch nicht nötig. Ihm gelingt es ohne viel Aufsehens die ganze Tragik und Unübersichtlichkeit der nordirischen Troubles aufzuzeigen. Denn wie in jedem bewaffneten Konflikt standen sich keineswegs zwei homogene Gruppen mit klarer Zielsetzungen gegenüber. Die Machtkämpfe, Kompetenzgerangel und persönlichen Animositäten innerhalb der Lager dröselt Burke ebenso minimalistisch wie virtuos auf. Nicht ohne die wahren Opfer dieser Ränkespiele zu benennen: „Posh cunts telling thick cunts to kill poor cunts“ –  so ist das im Krieg eben.

Peter Correll

„’71“, Regie: Yann Demange, Darsteller: Jack O’Connell, Sean Harris