Berlinale-Filmkritik: „Endzeit“ von Sebastian Fritzsch


Hunger, Verzweiflung, das ganze Programm. Foto: Berlinale

Hunger, Verzweiflung, das ganze Programm. Foto: Berlinale

Hütte im Allerweltswald

Kometeneinschlag, Menschheit stirbt aus, nur ein Mädchen überlebt, wird erwachsen und kämpft sich völlig autark durch die Wälder dieser verlassenen Welt. Wohl gemerkt: Hasen und Maden haben die Katastrophe ebenfalls unbeschadet überstanden und werden von der Wilden mit dem Björk-Blick hastig verspeist. Die ersten Minuten von „Endzeit“ bin ich ganz gefangen von Hauptdarstellerin Anne von Keller, die so schön verhuscht durch die Natur streift, völlig eins mit ihr. Ja, und dann ist sie eben doch nicht so ganz allein. Hütte mit Vorräten taucht auf, attraktiver Mann (Alexander Merbeth) taucht auf, maximal gezeichnet von einem Vier-bis-fünf-Wochen-Bart, der sich wie sie die letzten Jahren durch die Ödnis gekämpft hat. Nachdem „der Mann“ nach einem kleinen Messerkampf und einer geteilten Dose Ravioli nachts mucksmäuschenstill über „die Frau“ herfällt, schließen sie sich zusammen. Er will „hinter den Gebirgskamm ziehen“, weil es dahinter eine Stadt geben soll. Und sie will irgendwie nur noch hinter ihm her dackeln.

Zugegeben, der Hauptdarstellerin kauft man ihre innere Zerissenheit so ziemlich in jeder Sekunde ab. Sie ist verwirrt von der plötzlichen Gesellschaft, angezogen davon und weiß doch die ganze Zeit, dass sie alleine irgendwie besser dran wäre. Trotzdem weicht sie ihm nicht mehr von der Seite, sie treffen auf weitere Menschen – „den Vater“ (Heinrich Baumgartner), „die Tochter“ (Lise Wolle) und schließlich zu allem Überfluss noch auf „den Fremden“ (Sebastian Ganzert) -, alle genauso kaputt wie das seltsame Paar. Hunger, Verzweiflung, das ganze Programm. Und die Moral von der Geschicht‘ ist: Allein ist man weniger am Ar… Oder so.

Das Kammerspiel in dieser Unglück verheißenden Hütte im Allerweltswald ist gut gemeint und während ich mich in den knorrigen Falten des „Vaters“ verirre, während er der „Frau“ heraufbeschwört, dass sie ihre Angst (wovor jetzt noch mal?) überwinden wird, macht sich das Gefühl breit, dass ich diesen Film doch auch ein bisschen gut finden möchte. Ich schaue Anne von Keller noch mal tief in die Augen, werde aber sogleich wieder von den wenigen, belanglosen und durch die viele Stille so hoch gehängten Dialogen abgelenkt. Und ärgere mich über die Vorhersehbarkeit dieser Geschichte, die so viel Raum für Unvorhergesehenes geboten hätte.

Verena Manhart