Berlinale Filmkritik: „Violet“ von Bas Devos
Stilsicher
„Blau ist eine warme Farbe„, „Die Farbe Lila„, „Drei Farben Weiß/Blau/Rot“, „Satte Farben vor Schwarz“ – Filme mit Farbton im Titel gibt es einige. Oft klingen sie erstmal nach Psychoanalysekiste. Der Farbwert setzt den Ton für die zu erwartende melancholische, romantisch-poetische oder vielleicht auch aggressive Stimmung. Bas Devos zitiert im Titel seines Spielfilms einen gleichnamigen Deafheaven-Song. Von der Black Metal Band aus San Francisco stammt auch die Musik im Film. Im Song heißt es: „What have they done […], why have some gone, but we are still here.“ Nur allzu genau beschreiben diese Zeilen Jesses Wut und Trauer über den Verlust seines besten Freundes Jonas. Wie betäubt ist er, seit er reglos zusah, wie Jonas direkt vor ihm erstochen wurde. Überfordert von den eigenen Emotionen und denen der anderen – von Familie und Freunden – versucht Jesse in den Alltag zurückzukehren. Doch dort warten ungemütliche Fragen, quälen Selbstvorwürfe und die Frage nach dem „Warum?“.
Stilllebenartig inszeniert der Belgier die Trauer seiner Figuren allein durch die visuelle Kraft des Mediums selbst und findet dafür Bilder, die stilistisch gelegentlich an Bildkompositionen von Vermeer oder das Licht- und Schattenspiel eines Caravaggios erinnern. Getreu dem Motto „Words are violence to the silence“ setzt Devos ganz auf die sinnliche Ebene und vertraut seinem Publikum, die stille Erzählung um Trauer und Leid zu entziffern. Wobei es im Film weniger ums Entschlüsseln geht als darum, mit allen Sinnen den Film, dessen Geschichte und Protagonisten wahrzunehmen und zu fassen.
Indem der 1983 geboren Regisseur bewusst mehr auf die Mittel des Filmes als auf einen festgelegten psychologischen Ansatz vertraute, wie er sagt, hoffte er, mehr von der Ohnmacht und Isolation des Protagonisten auf die Leinwand bringen zu können. Durch die Beobachtung seiner Figur und dessen Umgebung, so glaubt Bas Devos, werden Dinge sichtbar, die in Worte gefasst viel schwieriger zu artikulieren sind. Und in der Tat finden Devos und sein Kameramann Nikolas Karakatsanis einmalige und unprätentiöse, lyrische Bilder, die in Worte zu fassen schier unmöglich wäre. Dazu zählen großformatige und leicht unscharfe Close-ups, speziell ins Licht gerückte Figurengruppen oder Leerstellen für die Abwesenheit des Freundes, genauso wie die allein durch Lichtregie fantastisch erzählte Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner, aus der Dunkelheit des Gartens betrachtet.
Was vielen anderen Regisseuren in ihren Filmen auf dieser Berlinale nicht gelang, schafft Bas Devos mit links – die Kunst, die Geschichte durch die Form sprechen zu lassen. Mit seiner stilsicheren Handschrift, die sich schon in seinen Kurzfilmarbeiten andeutet („We know„), überzeugte der Spielfilmdebütant schließlich auch im Programm Generation 14plus und gewann absolut verdient den mit 7.500 Euro dotierten und von der Bundeszentrale für Politische Bildung gestifteten Großen Preis der Internationalen Jury. Bas Devos zählt definitiv zu den Entdeckungen der diesjährigen Berlinale.
SuT
„Violet„, Regie: Bas Devos, Darsteller: César De Sutter, Raf Walschaerts, Koen De Sutter