„Side Effects“ von Steven Soderbergh


Unschöne Nebenwirkungen werden vertuscht. Foto: Berlinale

Unschöne Nebenwirkungen werden vertuscht. Foto: Senator Film

Mögliche Nebenwirkung: Mord

Es beginnt mit einem Gefühl der Unruhe. Die Hände zittern, der Puls steigt. Danach kommt die Atemnot, das Herzrasen, die Panik macht sich breit. Stillsitzen geht nicht, Herumlaufen hilft auch nicht. Jede Geste, jeder Blick, jedes Wort von außerhalb macht alles noch schlimmer. Bis es keinen Weg mehr zurück gibt und die Angst jede Faser des Körpers erfasst hat. Zu diesem Zeitpunkt ist man wie gelähmt. Die Gedanken fechten eine Schlacht aus, ob man gleich stirbt oder doch nur durchdreht. Manchmal dauert es nur Minuten, manchmal mehrere Stunden. Zurück bleibt man ohnmächtig und erschöpft, der Körper kann nicht mehr. Und wenn man die erste Panikattacke überstanden hat, drehen sich die Gedanken anschließend darum, wann wohl die nächste kommt.

Mittlerweile gibt es verschiedene Möglichkeiten, psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen in den Griff zu kriegen. Die beliebtere, weil bequemere, heißt Medikation. In Steven Soderberghs „Side Effects“ ist der Psychotherapeut Dr. Jonathan Banks (Jude Law) ein bekennender Anhänger dieser Behandlungsmethode. Seine Patientin Emily (Rooney Mara) hat gerade einen Suizidversuch hinter sich. Obwohl ihr Ehemann nach vier Jahren endlich aus dem Gefängnis entlassen wurde und alles nach einer besseren Zukunft aussieht, fährt sie mit Vollgas gegen eine Parkhauswand. Die von Banks eingesetzten Psychopharmaka belasten Emily mit schweren Nebenwirkungen. Als er ihr schließlich ein neu auf den Markt gekommenes Medikament verschreibt, verschwinden diese. Banks streicht ein beachtliches Honorar für seine Kooperation mit dem Pharmaunternehmen ein und ist zufrieden. Bis eine neue Nebenwirkung einsetzt: Emily schlafwandelt und tötet dabei ihren Ehemann.

Soderberghs „Side Effects“ operiert durchgehend auf verschiedenen Bedeutungsebenen. Denn medikamentöse Behandlung dient nicht nur dem Betroffenen, sie dient in erster Linie der Marktwirtschaft. Werbung mit glücklichen, psychisch austarierten Menschen unterstützt dieses Prinzip. Unschöne Nebenwirkungen werden vertuscht. Emilys Mord an ihrem Ehemann unter dem Einfluss des Präparats löst einen markt- und gesundheitsrechtlichen Skandal aus. Die Frage, wer hier Schuld ist, ob das Pharmaunternehmen, der Therapeut oder die Patientin selbst, scheint unbeantwortbar. Darüber schwebt jedoch die Problemstellung, nach welchen Kriterien psychische Gesundheit oder Krankheit überhaupt eingestuft wird. Banks selbst verfällt bei der Aufklärung des Falls und Rettung seiner Reputation zusehends der Besessenheit und gefährdet damit seine Ehe. Emilys frühere Psychiaterin Dr. Siebert (Catherine Zeta-Jones) entpuppt sich als berechnendes, eiskaltes Miststück. Das Verhalten jeder einzelnen Figur, auch Emilys, wird zusehends durch und durch strategisch, weshalb der gesamte Film weniger aufregende Nervenkitzel, dafür aber eine kompositorische Strenge transportiert.

Side Effects“ scheint zu wissen, wovon er spricht. Insbesondere Banks bleibt bis zum Schluss ein ambivalenter Charakter, der sich nicht in Gut-oder-Böse-Schubladen stecken lässt. Und genauso verhält es sich doch auch mit psychologischen Diagnosen: Die Medizin gibt vor, zu wissen, wann der Wahnsinn anfängt. Aber so genau weiß das eigentlich niemand.

Alina Impe

Side Effects Regie: Steven Soderbergh; Darsteller: Jude Law, Vinessa Shaw, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum, Rooney Mara, David Costabile; Kinostart: 25. April 2013

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