„The Broken Circle“ von Felix van Groeningen
Tieftraurige Ode an das Leben
Man soll Geschichten eigentlich nicht mit ihrem Ende beginnen. Doch da sich Regisseur Felix van Groeningen in „The Broken Circle“ auch nicht mit herkömmlich chronologischen Erzählmustern aufhält, gönnen wir uns eine Ausnahme: Wir beginnen mit dem Abspann des belgischen Berlinale-Beitrags. Dieser wurde im Friedrichsstadt-Palast über die gesamte Laufzeit mit frenetischem Jubel bedacht. Die anwesenden Hauptdarsteller und der Regisseur erhielten sogar Standing Ovations vom anspruchsvollen Berlinalepublikum. Und das alles für einen Film über Liebe, Krebs und Countrymusik.
Der kernige Didier (Johan Heldenbergh) lebt auf einem leidlich renovierten Bauernhof in der Nähe von Gent und ist verrückt nach Amerika. Mit seiner Bluegrass-Band feiert er annehmbare Erfolge und als er am ganzen Körper bemalte Tätowiererin Elise (Veelre Baetens) kennenlernt, scheint das Glück perfekt. Sie wird Sängerin in Didiers Band, zieht zu ihm auf den Hof. Die beiden bekommen ihre Tochter Maybelle und bald ist das süße Kind schon sieben Jahre alt. Dass in dieser Zeit nicht alles so idyllisch war, wie es zunächst scheint, erfahren wir aus Rückblenden und Dialogen. Als bei Maybelle zudem Krebs diagnostiziert wird, an dem sie nach einiger Leidenszeit auch stirbt, steht das Paar vor einer echten Zerreisprobe.
Wer jetzt Tragik und Melancholie erwartet, liegt nur teilweise richtig. „The Broken Circle“ ist ein Film, der vor Lebensfreude geradezu strotzt. Er steckt voller wunderbarer Musik, humorvollen Ideen und sympathischen Charakteren. Schablonen gibt es nicht, Klischee behafteten Dialogen zeigt Felix van Groeningen einen kreativen Mittelfinger. Die für das Genre unüblichen Zeitsprünge nutzt der Regisseur geschickt für seine erzählerischen Zwecke. Dass er es zudem fertigbringt, eine religiöse Debatte über Leben und Tod im Film unterzubringen, ohne dabei prätentiös zu wirken, ist beinahe schon unheimlich. „The Broken Circle“ ist ein poetischer Film, zutiefst pessimistisch und zugleich wunderbar lebensbejahend. Kurz: Die Standing Ovations waren mehr als verdient.
Peter Correll
Regie: Felix van Groeningen, Darsteller: Johan Heldenbergh, Veerle Baetens, Nell Cattrysse, Geert Van Rampelberg, Nils De Caster, Kinostart: 25. April 2013