BLACK BAG von Steven Soderbergh


BLACK BAG © 2025 Focus Features, LLC. All Rights Reserved.
BLACK BAG © 2025 Focus Features, LLC. All Rights Reserved.

WOULD YOU KILL FOR ME?

Die Karriere von Steven Soderbergh hat in den letzten vier Jahrzehnten einige Aufs und Abs gesehen. Vom frühen Indie Darling mit SEX, LIES, AND VIDEOTAPE (1989) über coole Gangsterfilme wie OUT OF SIGHT (1998) und THE LIMEY (1999) zum Oscar-Doppelschlag ERIN BROCKOVICH und TRAFFIC (beide 2000) landete Soderbergh Anfang des Jahrtausends beim stargeladenen Quasi-Mainstream der OCEANS ELEVEN-Filme, um schließlich seine Nische mit kleinen, oft gut besetzten, präzise und schnörkellos inszenierten Genrefilmen zu etablieren. Von denen kann nicht jeder als rundum gelungen bezeichnet werden, sie zeigen aber doch überwiegend einen Regisseur am Werk, der ein außerordentliches Maß an Kontrolle über seine Produkte ausübt. Soderbergh ist in der Regel, wenn auch unter Pseudonym, der Chefkameramann seiner Filme und auch für den Final Cut verantwortlich.

BLACK BAG, sein inzwischen 38. Spielfilm, bewegt sich thematisch – ein Katz-und-Maus-Spiel im britischen Agentenmilieu – durchaus auf vertrautem Terrain. Das Belauern, Sich-Verraten, Gegeneinander-Ausspielen kennt man auch aus anderen Soderbergh-Filmen. Hier ist es ergänzt um sexuelle Spannung, an der Screwball-Komödie der 1930er und 1940er Jahre geschulten Dialogen und einem Plot, der auch John Le Carrés legendären Meisterspion George Smiley aus der Ruhe gebracht hätte.

Der britische Geheimdienst hat ein Problem: eine Top Secret-Geheimwaffe wurde entwendet und der für Cybersicherheit zuständige Agent George Woodhouse (Michael Fassbender) hat eine Woche Zeit, den Maulwurf zu entlarven. Dumm nur, dass zum kleinen Kreis der Verdächtigen auch seine Gattin Kathryn (Cate Blanchett), ebenfalls eine Top-Agentin, zählt. Der stets bis zur Selbstaufgabe kontrolliert auftretende George steht vor einer doppelten Herausforderung: den Verräter zu finden und zugleich seine Ehe/Frau zu schützen. Dass er dabei auch noch in eine ihm gestellte Falle tappt, macht die Sache nicht weniger kompliziert.

BLACK BAG entpuppt sich schon nach wenigen Szenen als ein Musterbeispiel an Sparsamkeit und Effizienz. Während seine berühmteren Kollegen James Bond oder Ethan Hunt ihre Gegner um den halben Globus jagen, bewegt sich der bescheidene, nichtsdestotrotz aber eiskalt kombinierende George lediglich zwischen seinem Wohnhaus, seinem Büro und einem Bootshaus, von wo aus er zum Angeln ausfährt, um besser denken zu können. Britischer geht’s kaum. Wenn George aber alle Verdächtigen zu einem Dinner in sein Haus einlädt, um dem Täter auf den Zahn zu fühlen, liegt eine Spannung in der Luft, die auch die weitgehende Abwesenheit von echten Actionszenen vergessen lässt. Hier wird nicht (oder kaum) mit Waffen geschossen, stattdessen verteilen die Akteure rasiermesserscharfe Dialogspitzen.

Jeder Verdächtige hat ein Motiv und Georges Vorgesetzter Arthur Stieglitz (herrlich humorlos: Pierce Brosnan) sitzt ihm im Nacken und erwartet Ergebnisse. Und dann ist da noch Kathryn, die George intellektuell und sexuell mindestens ebenbürtig, wenn nicht gar der dominierende Faktor dieser Ehe ist. Georges berufsbedingte Paranoia und seine Verachtung für Lügen stellen auch den Glauben an die Beziehung zu seiner enigmatisch auftretenden Frau auf den Prüfstand. BLACK BAG ist eben nicht nur ein spannender Agententhiller, sondern erzählt auch eine faszinierende Love-Story, die Anleihen bei so unterschiedlichen Klassikern wie WHO’S AFRAID OF VIRGINIA WOOLF? (1966) oder NOTORIOUS (1946) findet.

Unterm Strich ist BLACK BAG ein ausgesprochen unterhaltsamer Agentenspaß, der, schlank erzählt und ohne unnötigen Tand auskommend, in kurzweiligen 93 Minuten auf den Punkt inszeniert ist. Neben den perfekt harmonierenden Hauptdarstellern und Altstar Brosnan begeistert auch das jüngere Quartett an weiteren Verdächtigen: Tom Burke und Marisa Abela sowie Naomie Harris und Regé-Jean Page, die jeweils als Pärchen mit ganz eigenen Problemen auftreten. Zum dritten Mal in Folge hat Soderbergh mit Drehbuchautor David Koepp zusammengearbeitet, der nach einigen eher durchwachsenen Arbeiten in Kollaboration mit Soderbergh den richtigen Ton gefunden zu haben scheint. Für den coolen, sehr jazzigen Score ist einmal mehr David Holmes verantwortlich, der Soderberghs Filme sporadisch seit OUT OF SIGHT betreut.

BLACK BAG läuft ab 15. Mai im Kino.