„Noite de Reis“ von Vinicius Reis


Highlight von Cinebrasil 2014: "Noite de Reis" von Vinicius Reis. (c) Cinebrasil

Highlight von Cinebrasil 2014: „Noite de Reis“ von Vinicius Reis. (c) Cinebrasil

Ein Brand, der sich nicht löschen lässt

Wenn Dora der Geruch von verkohltem Holz in die Nase steigt, legen sich Asche und Rauch über ihren Tag. Am liebsten möchte sie dann nicht mal mehr das Haus verlassen, geschweige denn zur Arbeit gehen. Die Wunde in ihrer Erinnerung brennt sich noch immer aus. Damals stand ihr Haus in Flammen. Das Feuer riss nicht nur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit sich, sondern auch das Leben ihres kleinen Sohnes Lucas. Ihr Ehemann Jorge ertrug den Verlust nicht und ließ sie mit ihrer kleinen Tochter Julia in den Trümmern sitzen. Heute steht das Haus wieder und der Wundbrand siedet im Verborgenen. Bis Jorge plötzlich aus dem Nichts wieder auftaucht und die kleine Familie sich fragen muss, ob ein Neuanfang überhaupt möglich ist. In diesem Haus, wo alles angefangen und so schmerzlich aufgehört hatte.

Noite de Reis“ ist ein leiser Film. Auf Zehenspitzen tappt Regisseur Vinicius Reis durch die Gefühlswelten seiner Figuren und dokumentiert dabei weniger, was sie tatsächlich sagen, als das, was sie nicht auszusprechen wagen. Wer verstehen will, wie Trauma und Reue diese vom Leben gezeichneten Charaktere versteinern lassen, muss ihre Gedanken in ihren Gesichtern lesen.

Gleichzeitig spielt sich „Noite de Reis“ in einer Umgebung ab, in der familiäre Trauerarbeit ein kollektives Unterfangen wird. Nicht nur Dora, Jorge und Julia begleitet permanent der verrußte Schatten ihres nun komplett rekonstruierten Hauses – auch die gesamte Dorfgemeinschaft erinnert, betrauert und reflektiert das Erlebte. Als Lucas starb, wurde seine Asche in einem nahegelegenen Gewässer verstreut. Das ganze Dorf warf Blumen in den See, bis seine Oberfläche unter einem wogenden Blütenteppich verschwand. Noch Jahre später ist der Tod des kleinen Jungen das zentrale Gedenkereignis bei religiösen Feiertagen. Während alles tanzt, lacht und trommelt, schwebt die Tragödie des kleinen Lucas über der fröhlichen Gemeinschaft. Das ist weder pietätlos noch unbeabsichtigt: In der brasilianischen Kultur scheinen Trauer und Optimismus oftmals Hand in Hand zu gehen.

Demnach ist das Anliegen des Films nicht, vom Wiedererstarken der einst zerrissenen Bande einer jungen Familie zu berichten. Die Bewegung der Geschichte verläuft nicht aufwärts, sondern vorwärts – schlichtweg, weil der Lauf der Zeit es so diktiert. „Manchmal frage ich mich, was schlimmer ist: Erinnern oder Vergessen“, sagt Dora gegen Ende des Films zu Jorge. Mit poetischer Hingabe und tiefgehender Anteilannahme für seine Figuren zeigt „Noite de Reis“, dass manchmal beides gleichzeitig notwendig ist, um zurück ins Leben zu finden.

Alina Impe

Noite de Reis“ („Königsnächte„), Regie: Vinicius Reis, Darsteller: Raquel Bonfante, Bianca Byington, Enrique Diaz

Ein Highlight ist die Premiere von „Noite de Reis“ im Berliner Kino Babylon am 18. März um 21.30 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs Vinícius Reis. Wer für das Festival drei Karten im voraus kauft, bekommt ein Ticket gratis.

Weiterlesen: Ein Blick ins Programm von Cinebrasil 2014 im Kino Babylon in Berlin.