„Cold Blood“ von Stefan Ruzowitzky


"Cold Blood": Eine kitschige Welt, ein ländliches Amerika, das an allen Ecken und Enden zerbrochene Träume zeigt. Foto: Studio Canal

"Cold Blood": Eine kitschige Welt, ein ländliches Amerika, das an allen Ecken und Enden zerbrochene Träume zeigt. Foto: Studio Canal

Gebäck, Tee und Räucherstäbchen

Diejenigen, die sich um das Gebrauchtwerdens willen den Erfordernissen des Zeitgeists andienen, trennt von jenen, die von vornherein in der weisen Erkenntnis, dass sie nicht landen werden und Verzicht leisten, nicht viel – vielleicht nur einige Schneeflocken. Der Lärm von Pistolen und Gewehren vermischt sich mit Addisons (Eric Bana) und Lizas (Olivia Wilde) Atemgeräuschen. Erst als beide im Fluchtauto sitzen, erkennen sie, dass der Überfall auf ein Casino scheiterte. Da bleibt keine Zeit für Suspense. Stattdessen hinterlassen die beiden auf ihrer Flucht einen toten Polizisten. Sie trennen sich und das einzige, was sie beisammen hält, ist ihre gemeinsame Vergangenheit, das Fluchtziel (Kanada) und natürlich Schnee. Schnee, der manchmal durch Licht und Wind, manchmal durch Gewehrschüsse und Blutfontänen, manchmal schlicht durch Mitleid erregendes Gesäusel einen Rahmen erhält.

Mit standardisierten Szenenwechseln zeigt Regisseur Stefan Ruzowitzky eine kitschige Welt, ein ländliches Amerika, das an allen Ecken und Enden zerbrochene Träume, gutherzige aber nicht allzu clevere Charaktere beherbergt und Gestalten wie Addison und Liza schon fast magisch anzieht. Zum einen, weil diese Welt Lebensweisen aufzeigt, die sich für beide auf Grund ihrer kriminellen Profession erlegt haben. Zum anderen, weil sie sich nach einer solchen Welt sehnen. Scheinbar stehen beiden nur Polizisten im Weg, die fast schon mechanisch, nach immer denselben eingefleischten Ritualen ihren Job verrichten, doch dann geschieht was in einer Schmonzette eben geschieht: Liza verliebt sich in den Ex-Boxer Jay(Charlie Hunnam), der nach einer teilweise verbüßten Gefängnisstrafe zum Thanks Giving-Essen zu seinen Eltern Chet (Kris Kristofferson) und June (Sissy Spacek) unterwegs ist. Wenn Liza Jay ausfragt, scheint eine Underdogkonfettiparade durch die Schneelandschaft, eben eine Welt der verlorenen Hoffnungen, Sehnsüchte und Wünsche, eine Welt des permanenten Scheiterns, mit gefühlstumben bis gefühllosen Vätern, Gewaltverbrechen und der ein oder anderen Narben. So kann sich der Film nicht so recht entscheiden ob er nun Roadmovie, Thriller oder Chick Flick sein möchte. Sissy Spacek und Kris Kristofferson spielen dagegen ihre Parts als fürsorgliche Eltern mit der nötigen Profession.

Dramaturgisch scheint es aber unplausibel, das solche Eltern einen gewaltbereiten Idioten heranziehen. Als sich Liza und Jay in einem Motelzimmer vergnügen, verschwinden die Erinnerungen um die eigene Falschheit und an das eigene Versagen. Derweil beherrschen wache Alpträume Addisons Gesicht. Der Druck seines ganzen, beschissenen Lebens, das ihm nie eine Chance bot, eines Lebens, aus dem aber auch er selbst nie etwas gemacht hat, weicht nur dann einer gewissen Erleichterung, wenn er Menschen erschießt. Eric Bana darf sich zum ersten Mal als Charakterdarsteller beweisen. Dabei macht er alles richtig, den Gescheiterten kauft man ihn ab, doch sein Spiel ist zu sehr stereotyp, als das man wirklich mitfühlen und -leiden könnte. Am Ende gibt es ein Thanks Giving-Essen und sieht man vom Geiseldrama ab, zu dem dieses Essen ausartet, ist es ganz analog zum amerikanischen Traum mit der dazugehörigen ideologischen Verkleisterung dieses Traums. Die Versprechungen dieses Traums sind für keinen der Beteiligten leer, und so werden aus Verlierern natürlich Helden. Am Ende hat man Lust auf Gebäck, Tee und Räucherstäbchen, nur war dieser Effekt wohl nicht angedacht und so verpuffen die recht expliziten Gewaltdarstellungen wie der Rauch einer Platzpatrone.

Joris J.

„Cold Blood“ Regie: Stefan Ruzowitzky, Darsteller: Charlie Hunnam, Treat Williams, Sissy Spacek, Eric Bana, Kris Kristofferson, Kate Mara, Olivia Wilde, Alain Goulem, Jason Cavalier, Allison Graham, Kinostart: 22. November 2012