„Deine Schönheit ist nichts wert“ von Hüseyin Tabak
Tagträumender Held
Der zwölfjährige Veysel träumt, den ganzen Tag. Immer wieder manövriert er sich in eine Welt, in der er perfekt Österreichisch spricht oder es keine Sprache braucht. In dieser Welt erobert er ganz gentlemanlike das Herz seiner Mitschülerin Ana. Wenn der raue Alltag in diese Traumwelt bricht, wird klar, dass Veysel weit davon entfernt ist. Erst seit einem halben Jahr lebt der kurdisch-türkische Junge mit seiner Familie in Wien. Sie sind geflohen, weil die Heimat für sie nicht mehr sicher war. Genau das kreidet der ältere Bruder dem Vater an und es kommt immer wieder zu handfesten Auseinandersetzungen.
Erst im vergangenen Jahr skizzierte der kurdischstämmige Wiener Regisseur Hüseyin Tabak in „Das Pferd auf dem Balkon“ den Alltag eines Kindes mit Asperger-Syndrom ab und rückte nicht nur gekonnt, sondern auch kindgerecht deren Blick auf die Welt in den Fokus. In seinem neuen Film wiederholt er das, nur ist die Filmwelt dieses Mal überschattet von Integrations- und Asylverfahren. Tabak stellt mit seiner Kamera stets Veysel in den Mittelpunkt, so dass der Zuschauer innerhalb kürzester Zeit zum treuen Begleiter des Jungen wird. Obwohl wir etwa das Anliegen der Integrationsbeauftragten sofort verstehen, an der Seite von Veysel legen wir bald unsere Stirn in Falten. Veysel versucht eindringlich, mit seinen noch schlechten Sprachkenntnissen die neue Welt zu erfassen und doch gerät er stets zwischen die Fronten, sei es in der Schule oder Zuhause.
Hüseyin Tabak lässt die österreichische Intergrationspolitik ebenso häppchenweise in die Welt des Jungen einfließen wie er die Tagträume von Veysel in kurzen, quietschbunten Sequenzen bildhaft werden lässt. Dieses Zusammenspiel aus Wunschwelt und Realität, in der Familien von heute auf morgen abgeschoben werden, macht „Deine Schönheit ist nichts wert“ zu einem traurig-schönen Filmerlebnis.
Eileen Reukauf
„Deine Schönheit ist nichts wert„, Regie: Hüseyin Tabak, Darsteller: Abdulkadir Tuncer, Nazmi Kırık, Lale Yavas, Kinostart: 3. April 2014