„Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ von Roy Andersson



Die Struktur der Szenenabfolge erinnert durchaus an die eigenwillige Logik und Willkür der „Flying Circus„-Sketche des englischen Komikertrupps Monthy Python. So ist der Einritt von Karl XII visuell hervorragend gelöst: Zuerst sehen wir die regulären Gäste in der Kneipe, dann reitet vor den Fenstern eine Armee aus dem 18 Jh. vorbei, zwei Soldaten öffnen die Flügeltüren, ein Pferd samt Reiter galoppiert in das Lokal und jagt die Frauen hinaus auf die Straße. Schließlich reitet der König Karl XII hinein und steigt von seinem Gaul. Interessant sind stets die Verwendung von Tiefenschärfe und die vielen kleinen Details, die sich im Vordergrund und im Hintergrund der totalen Einstellungen abspielen.

Absurdes Leben in "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" von Roy Andersson: Britische Kolonialsoldaten zwingen afrikanische Gefangene in eine riesige Kupferorgel. © Neue Visionen Filmverleih

Absurdes Leben in „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ von Roy Andersson: Britische Kolonialsoldaten zwingen afrikanische Gefangene in eine riesige Kupferorgel.
© Neue Visionen Filmverleih

Nicht alle der insgesamt 39 Szenen sind dabei gleichermaßen lustig oder gelungen. So funktioniert die Sklavenszene im Vergleich nicht so gut: Der geschichtliche Hintergrund der britischen Kolonien und des Sklavenhandels wirkt im Kontext des Films deplaziert und unnötig auf eine mögliche Kontroverse hin inszeniert. Die weniger gelungenen Momente fallen im gesamten Filmverlauf jedoch kaum ins Gewicht und werden von den Höhepunkten überlagert.

Der unterschwellige Humor funktioniert vor allem aufgrund der eigenwilligen visuellen Gestaltung. Roy Andersson erschafft eine außergewöhnliche filmische Erfahrung, die man im zielgruppenorientierten und festivalfixierten Programmkino nur selten zu sehen bekommt. Die inhärente Tragik der Geschichten und die Absurdität des Gezeigten unterstreicht die humanistische Perspektive des Regisseurs auf die radikale Alltäglichkeit des menschlichen Lebens. Roy Andersson nimmt seine Figuren stets ernst und stellt sie nicht als bloße Karikaturen dar. Gerade darin liegt das tragikomische Potential, welches „Eine Taube sitzt auf einem Zweig…“ entfaltet.

Henning Koch

Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ (OT: „En duva satt på en gren och funderade på tillvaron„), Regie: Roy Andersson, Darsteller: Holger Andersson, Nisse Westblom, Viktor Gyllenberg, Kinostart: 1. Januar 2015

1 2