„Pawn Shop Chronicles“ von Wayne Kramer


Foto: SquareOne Entertainment

"Pawn Shop Chronicles: Eine Leihanstalt besiegelt allen Protagonisten ihr tiefes Unglück. Foto: SquareOne Entertainment

Die Hölle auf Kredit

In einer Pfandleihe müffelt es immer ein bisschen nach Verzweiflung. Es ist oft der letzte Schritt, der einen hierher treibt und einen wertvollen Gegenstand gegen ein paar Scheine eintauschen lässt. Die Filme und die Literatur sind voll von nie wieder eingelösten Dingen hinter staubigen Glasscheiben, die eigentlich mal eine Heimat hatten und nun ungeliebt versauern. Selten wird hier ein beständiges Glück erworben, eine große Hoffnung mit dem Handschlag besiegelt.

So auch in Wayne Kramers „Pawn Shop Chronicles“ (USA, 2013). Hier lagern alte Golfschläger neben verkitschtem Schmuck und Küchenutensilien, ein Wirrwarr verwahrloster Erinnerungen in der Titel gebenden Pfandleihe. Mit dem genauen Blick für die tiefe Ausweglosigkeit seiner Kunden reicht Alton (Vincent D’Onofrio) ein Minimum an Scheinen über die Theke, wenn er nicht mit seinem Kumpel Johnson (Chi McBride) rauchend über afroamerikanische Weihnachtsmänner und vermeintlich ethnisch bedingte körperliche Merkmale in Pornos fachsimpelt.

Mit dem Betreten der Leihanstalt beschließen alle Protagonisten des Films ihr tiefes Unglück: Der Loser Vernon (Lukas Haas) bekommt für seine Waffe Bares zum Tanken ausgehändigt; der frisch verheiratete Richard (Matt Dillon) möchte den Hochzeitsring als Pfand für den Honey Moon dalassen, bis er den Ring seiner verschwundenen Exfrau bemerkt und diesen zusammen mit einem alten Auto für den Brillanten und seine frisch Angetraute eintauscht. Der Elvis-Presley-Imitator Ricky (Brendan Fraser) hinterlässt eine angeblich echte Goldkette, worn by The King Himself, um seinen nächsten, erfolglosen Gig zu erreichen.

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Schlechter Tausch: Vernon wird mit seinen Junkie-Freunden und ohne Waffe nicht den geplanten Meth-Diebstahl vornehmen können und zu allem Überfluss angefahren werden, Richard wird entdecken, dass seine Exfrau von einem perversen Irren entführt wurde (Elijah Wood stellt mit dieser Rolle einmal mehr seinen zweifelhaften Facettenreichtum unter Beweis) und Ricky wird den Teufel treffen, der vor einem Diner Handzettel verteilt. Und es wird Blut fließen, viel Blut.

Das könnte alles herrlich absurd sein, vielleicht sogar komisch im Stile eines Martin McDonagh-Stücks – beispielsweise dann, wenn weiße Suprematisten mit Hakenkreuztätowierungen plötzlich im intimen Gespräch feststellen, dass sie Juden und Afroamerikaner mögen. Doch das Drehbuch kommt dem Film mächtig in die Quere: „The Pawn Shop Chronicles“ ist leider komplett humorbefreit. Was schon für eine Trash-Komödie geschweige denn Satire schlecht taugt, wird mit der halbgaren Inszenierung und schauspielerischen Unterleistung zum peinlichen Slapstick. Brendan Fraser ist in den letzten Jahren durch relative Leinwandabstinenz positiv aufgefallen, nun manieriert er sich mit Haartolle in die Erinnerung zurück – nur um endlich die tragikomische, unsympathische Elvisfigur zu spielen, die in ihrer ganzen Karikaturhaftigkeit geradezu für ihn geschaffen scheint. Auch der restliche Cast wirkt nicht, als hätte er den Film jemals ernsthaft retten wollen. Noch nie hat man die Outtakes am Ende des Filmes mit solcher Gequältheit verfolgt.

Was ist nur seit 2003 passiert, als Wayne Kramer mit der Krimiromanze „The Cooler“ sein viel gelobtes Regiedebüt ablieferte? Mit „The Pawn Shop Chronicles„, den die amerikanischen Medien völlig zurecht mit einem abgehalfterten „Pulp Fiction“ Verschnitt in Grindhouse-Manier verglichen, wird Kramer allenfalls eingefleischte B-Movie-Fans zum Popcorn bewegen, die Elijah Wood schon immer einmal nackt mit fünf Frauen erleben wollten. Genau – die Wahrscheinlichkeit ist gering. Vielleicht existiert sie ja noch, die Pfandleihe, in der Kramer einmal eine folgenschwere Entscheidung traf. Wird Zeit, dass er wendet und noch einmal zurückfährt.

Marie Ketzscher