Filmtipp: Roman Polanskis „Der Gott des Gemetzels“


Der zynische Anwalt Alan, dem das Tohuwabohu um die Rauferei des Sohnes den Aufwand nicht lohnt, müsste er sich doch zeitgleich dringlich um einen Mandanten aus der Pharmaindustrie  kümmern, mit dem er im Laufe des Aufeinandertreffens auch mehrfach telefoniert.  Seine Frau, die fast schon hysterische Nancy, deren schillernde Fassade zerbricht, als sie entfesselt ins Wohnzimmer der Longstreets kübelt und dabei ein Sammlerstück der politisch über-korrekten Penelope ruiniert. Das wiederum lässt die Grundwerte der verhinderten Autorin, die bisher erst ein Elfenbeinturm-Werk verfasst hat, beinahe ebenso sehr wanken, wie ihr selbstgerechter Ehemann Michael, der den Proleten in sich nur mühevoll zügeln kann.

Aus diesen grundverschiedenen Charakteren entwickelt Polanski ein temporeiches Dialog-Feuerwerk, das seine vier Topstars voll zur Geltung bringt. Aus dem Ensemble sticht der einmal mehr unwiderstehlich aufspielende Christoph Waltz heraus, der unter Polanskis Regie all seine wunderbaren Schauspieler-Talente auslebt. Kaum eine noch so winzige Geste, kaum eine zynische Spitze, mit der der seit Tarantinos „Inglourious Basterds“ auch in den Staaten gefeierte Wiener Oscar-Preisträger der Handlung einen neuen Drive gibt. Selbst der Verzehr von Backwaren wird da zum Ereignis. Eine ganz wundervolle Performance.

Darüber, in wie weit der Hausarrest in der Schweiz Polanski zu diesem Kammerspiel inspiriert hat, lässt sich trefflich spekulieren.  Unzweifelhaft aber, welch großartiger Regisseur Roman Polanski doch ist, der seit über fünfzig Jahren herausragende Werke abliefert und sich als Meister aller cineastischen Klassen beweist. Ein bitterböser, kleiner, gemeiner Film über Schein und Sein.

Denis Demmerle

Der Gott des Gemetzels“ („Carnage„), Regie: Roman Polanski, 79 min., Deutschland, Frankreich, Polen, Spanien 2011, mit: Kate Winslet, Jodie Foster, Christoph Waltz, John C. Reilly, Kinostart: 24. November 2011

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