„On The Road“ von Walter Salles


Szene aus "On the Road" von Walter Salles.

Szene aus "On the Road" von Walter Salles.

Rodler aus Venezuela


David Cronenberg entdeckte seiner Zeit mit „Naked Lunch“ ein neues Monster: den Autor. Er ist es, der die Mauern zwischen den Bildern und der Wirklichkeit einreißt. Er ist es, der die Türen zu den verborgenen Leidenschaften zimmert, montiert und eintritt. Er ist es, dem von Zeit zu Zeit der Schädel platzt und die Ausgeburten seiner Phantasie ergießen sich daraus nicht nur in seinen Alltag. Selbstverständlich ist er bei all dem unverhältnismäßig selbstsüchtig, anmaßend und manchmal sogar hummeldumm. William S. Burroughs, hervorragend gespielt von Peter Weller, flüchtet sich in immer neue Räume seiner Phantastereien und findet dort doch immer schon die Dämonen seines Bewusstseins. Jack Kerouac taucht selbstverständlich auch hier und da auf. Mit Burroughs verbindet ihn im Film wie im realen Leben so etwas wie eine stumpfe Boheme. Irgendwann muss er fort um sein eigenes Buch zu schreiben, dass „so amerikanisch ist wie Football“ – „On The Road„.

Walter Salles entdeckt in seinem Streifen – und im Gegensatz zu David Cronenberg – nun kein neues Monster, noch nicht einmal einen neuen Typ Mann, der nach dem American College Dictionary „Angehöriger der nach dem Zweiten Weltkrieg volljährig gewordenen Generation ist, die sich in Lockerung gesellschaftlicher und sexueller Spannungen zusammenfindet und für antireglementarische Werte mystischer Loslösung und materielle Einfachheit eintritt, angeblich infolge einer Desillusionierung durch den Kalten Krieg.“ Er entdeckt den Langzeittouristen, der alles an Drogen einwirft, was der Markt so hergibt. In ausgesprochen langen 137 Minuten frönt man nicht nur weißen Spielen, sondern mit einer gewissen kritischen Distanz erlebt man die Spiele der Weißen. Viggo Mortensen wirkt in seiner Darstellung wie ein Rodler aus Venezuela, Steve Buscemi wie ein Skiläufer aus Armenien. Ob nun Junkie oder nicht, das Bild des Naturburschen ist freilich ein televisonäres Trugbild, eine Erscheinung folkloristischer Spots.

Bei aller Männerromantik und Sympathie für eine Zivilisationsabstinenz auf Zeit, zeichnet sich Kerouacs Werk doch vor allem dadurch aus, dass er diese hochgezüchteten Wesen, die ständig diszipliniert und trainiert werden, ad absurdum führt. Die Verweigerung zur Kontingentierung ist sein Kernanliegen. Seit der Erstveröffentlichung von „On The Road“ im Jahre 1957 hat sich eine Menge getan. Das Durchhalten des Eigenen und die Angst vor dem Fremden, vor Entfremdung und Heteronomie, konnte so lange emanzipatorisch wirken, wie eine konservative hegemoniale Macht tonangebend war. Diese Hegemonie der Rechten wurde in den siebziger Jahren von einer Hegemonie der Linken abgelöst. Die Antwort der Rechten seit der ersten Bush-Ära bestand nun nicht darin, wieder eine neue Hegemonie anzustreben, sondern Hegemonie als solche zu zerstören. Mit dieser Sachlage verweilen wir heute. Darum ist das Beharren auf dem Eigenen heute reaktionär, weil es einen Verzicht auf jeglichen Anspruch auf das Allgemeine darstellt und darum ist Walter Salles Film recht borniert, weil er diesen Verzicht völlig losgelöst von der Gesellschaft und dem öffentlichen Raum betrachtet. Was bleibt, ist eine nette Buddy-Komödie für Akademiker und koksende Papis.

Joris J