„Frankenweenie“ von Tim Burton


Die Monster von einst sind im Alltag angekommen. Foto: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

Die Monster von einst sind im Alltag angekommen. Foto: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

Brücken, Prothesen und der beste Freund des Menschen

Haustiere sind Gefühlsprothesen und als Sinnbild für Treue und Liebe, aber auch als Spötter des menschlichen Idealismus, ist der Hund jenseits der Metapher ein wichtiger Bestandteil von vielen Menschen. In Tim Burtons „Frankenweenie“ ist der Schüler Victor Herrchen von Sparky. Victor ist strebsam, sensibel und introvertiert, lebt in der Anytown „New Holland“ und duldet als einzigen Freund seinen Hund. Mr. und Mrs. Frankenstein, Victors Eltern, sind mit der Eigenbrötelei ihres Sohnes nicht wirklich glücklich und verpflichten ihn zur Teilnahme an einem Baseball-Spiel.

Victor schlägt einen Homerun und Sparky rennt vor ein Auto. Mag das Familien- und Gesellschaftsportrait auch noch so diskutabel sein, es gelingt, was Disney-Streifen seit über 80 Jahren gelingt: Der Beobachter wird sich nicht differenzieren, aber er wird sich mit ganzen Herzen an dem Gesehenen beteiligen. Er wird sich skeptisch die Augen reiben, nur um noch emotionaler dabei zu sein. In Mary Shelleys Original ist Victor Frankenstein ein von Ehrgeiz zerfressener Wissenschaftler und sein Monster schlicht und ergreifend die Manifestation seines Ehrgeizes. Der Tod wird nur überwunden und aufgehoben, weil man ihn überwinden kann. Tim Burtons Variante macht aus dem Tod eine Brücke, die der Schriftsteller Thornton Wilder mit den Worten umriss: „Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe – das einzige Bleibende, der einzige Sinn.“ Victor kann Sparky nicht gehen lassen und da es ein Disney-Streifen ist, bleiben der emotionale Rückzug und die damit einhergehenden Symptome wie Selbstwertverlust und innere Leere aus.

Stattdessen wird das Unmögliche zum Selbstverständlichen. Mit Muttis Nähkästchen flickt Victor seinen Vierbeiner zusammen und baut mit Silberfolie, Draht und reichlich Mad Scientist-Schnickschnack eine Wiederbelebungsapparatur auf, die Sparky die nötige Energie zum Leben schenkt. Jetzt kann dieser Hund sein Herrchen wieder lieben, bestätigen, ihm Sicherheit und Geborgenheit schenken.

Die Bilder erzählen uns mit ihrer Stop-Motion Technik keine Geschichte, die die Komplexität einer Lassie-Folge verlassen. Sie umreißen mit ihren überzeichneten Charakteren allzu offensichtliche Vorurteile gegenüber den scheinbar Unnormalen, vermitteln uns Treue, aber verdeutlichen auf sehr sympathische Weise, dass die Monster von einst voll integriert im Alltag angekommen sind. Der Film weist alle Konzepte des Gruselns ab, und stützt sich selber auf eine These, die den untoten Konformismus der us-amerikanischen Suburbia in Frage stellt – und letzten Endes doch dort verharren bleibt. 87 Minuten warmherziger Humor, verzeihbare Konflikte, die die Liebe eines Jungen zu seinem Haustier in den Mittelpunkt rücken, und somit über Menschlichkeit und durch die Gesellschaft bestimmte Riten der Trauer sinnieren – es ist eine Weile her, dass ein Tim Burton Streifen so gut funktionierte.

Joris J.

Frankenweenie Regie: Tim Burton, Darsteller: Charlie Tahan, Winona Ryder, Martin Landau; Kinostart: 24. Januar 2013