„Green Room“ von Jeremy Saulnier
Exitgame in der grünen Hölle
Sie sind jung, planlos und abgebrannt und eigentlich wollten sie für ein bisschen Benzingeld einfach nur einen kleinen Gig spielen und dann wieder abhauen. Stattdessen haben sie sich jetzt im Backstage einer Kneipe irgendwo in den nordamerikanischen Wäldern verbarrikadiert, mit im Raum: eine Leiche und zwei Nazis.
Bei „Green Room“ wird nicht lange gefackelt, bevor klar wird, dass sich die mehr oder weniger sympathischen Chaoten mit dem für eine Punkband wenig kreativen Namen „Ain’t Rights“ auf einem ziemlich miesen Trip befinden, aus dem es wohl so schnell kein Erwachen geben wird. Der Regisseur Jeremy Saulnier, unter anderem bekannt für „Blue Ruin„, der ihm 2013 in Cannes den FIPRESCI-Preis einbrachte, sowie seine sehr erfolgreichen Kollaborationen mit Regisseur Matthew Porterfield bei „Putty Hill“ und „I Used To Be Darker„, wo er sich jeweils für die Kameraarbeit verantwortlich zeichnete, präsentiert mit „Green Room“ einen rasanten Horror-Thriller, der definitiv nichts für schwache Nerven ist und bereits bei seiner Weltpremiere im Rahmen der „Quinzaine des Réalisateurs“ in Cannes sein Publikum in Atem hielt.
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Der so genannte „Green Room“ ist die fest stehende englische Bezeichnung für so etwas wie einen Backstageraum. Dieser wird hier für die vier Mitglieder der „Ain’t Rights“ zum Schutzraum, aber auch zur gnadenlosen Falle aus der es kein Entrinnen zu geben scheint.
Als sie merken, dass die entlegene Kneipe, in der sie spielen sollen, ein Nazi-Treffpunkt ist und ihnen die schwarzbraune Brühe bis zum Hals steht, beschließen sie, das Konzert provokativ mit „Nazis Fuck Off„, einem Cover der Dead Kennedys, einer US-Punkband der 1980er Jahre, zu beginnen. Die Stimmung wird also gleich zu Anfang des Films brenzlig und die Luft zum Schneiden, dennoch scheint der Auftritt der Band bei der Neonazi-Meute ganz gut anzukommen.
Der Alptraum könnte schnell wieder vorbei sein, wenn Sam (Alia Schawkat), die Gitarristin, nicht ihr Handy im Warteraum vergessen hätte und die Band so Zeuge eines Mordes wird. Schnell wird klar, dass es hier nicht nur um harte Bässe, Dosenbier, gekritzelte Hakenkreuze und ein paar Parolen geht, sondern dass die vier hier in ein Wespennest der amerikanischen so genannten White-Power-Bewegung geraten sind. Zunächst werden die unliebsamen Zeugen, bestehend aus Sam, Pat (Anton Yelchin), Gab (Macon Blair) und Tiger (Callum Turner), von den Neo-Nazis festgehalten und der Fortgang der Geschichte scheint relativ klar: Wo das erfahrene Publikum jedoch nun einen kinematographischen Gewaltexzess à la „Hostel“ oder „Saw“ mit einem Showdown „Punks versus Nazis“ erwarten könnte, wird es zunächst einmal enttäuscht.
Der Band gelingt es zwar, ihre Situation quasi umzukehren, ihre Bewacher zu überwältigen und in den Besitz einer Waffe zu gelangen. So richtig entspannt das ihre Lage jedoch nicht, schließlich ist der Raum relativ klein und mit den vier Bandmitgliedern, der Nazibraut Amber (Imogen Boots) sowie den beiden grobschlächtigen Türstehern auch schon ziemlich voll. Er befindet sich zudem mitten auf feindlichem Gelände, einem absoluten Hell-House voller brutaler Neonazis, mit deren ehrlicher Kooperation eher nicht zu rechnen ist. Unter dem harten Regime ihres ideologischen Anführers Darcy, gespielt von Jean-Luc Picard und X-Men-Professor, Patrick Steward im Breaking-Bad-Look, arbeiten diese an der Erweckung einer neuen US-amerikanischen Neo-Nazi-Bewegung und schrecken dabei weder vor brutalen Morden, noch vor Drogenhandel oder gewalttätigen Hundekämpfen zurück.
Als so etwas wie ein Geiselaustausch – Waffe gegen die Freiheit der Band – so richtig in die Hosen geht und die ersten Körperteile zerfetzt und notdürftig wieder zusammengetaped werden müssen, wird klar, dass das hier alles andere als ein Spaziergang werden wird und die „Ain’t Rights“ zu den Protagonisten eines Katz-und-Maus-Spiels geworden sind, bei dem die Rollen noch nicht endgültig verteilt sind.