International Film Festival Rotterdam 2021: PEBBLES von P. S. Vinothraj – Tiger Award


Still aus PEBBLES von P.S. Vinothraj © IFFR 2021

Still aus PEBBLES von P.S. Vinothraj © IFFR 2021

Wut

Kino aus Indien war und ist auch in anderen Jahren beim Internationalen Filmfestival in Rotterdam gut vertreten. Bei der eben zu Ende gegangenen Online-Edition des Festivals wurde eine Mischung aus Drama, Komödie und Charakterstudie, die in einer ärmlichen Gegen Südindiens spielt, sogar mit dem Hauptpreis, dem Tiger Award, prämiert. PEBBLES von P. S. Vinothraj hat die Ehrung mehr als verdient.

Das Spielfilmdebüt des Regisseurs überzeugt durch eine Konzentration auf wenige Schauplätze, präzise dosierten Dialogen, einem feinen Sinn für Humor und herausragenden Darstellern, die souverän und eindrücklich nachwirken.

Müsste man den Film mit einem einzigen Wort zusammenfassen, wäre das „Wut“. Mit stechendem Schritt geht ein Mann durch ein paar einfache Häuser, schaut sich um und sagt kein Wort, als ihn jemand fragt, wen oder was er suche. Einer der Jungen, der mit den anderen Schülern am Boden sitzt, steht plötzlich auf. Der Blick des Vaters sagt bereits alles und er folgt ihm zwar etwas lustlos, aber unterwürfig.

An der staubigen Straße warten Vater und Sohn auf den Bus. Während der Fahrt gerät der Vater mit einem anderen Passagier in einen lauten und handgreiflichen Streit. Das ist bereits ein kleiner Vorgeschmack auf einen noch viel größeren Wutausbruch, den der Vater kurz darauf haben wird. Am Ziel ihrer Reise angekommen prügelt er sich mit seinem Schwager und auch fast mit seiner Schwiegermutter, denn er verlangt, dass man ihm seine Ehefrau holt. Die Mutter des Jungen hatte er am Tag zuvor, ebenfalls im Streit, weggeschickt. Jetzt soll sie sofort zurückkommen, sonst, das garantiert er, gäbe es an dem Tag noch Tote.

Ein Pulverfass ist dieser cholerische und ein bisschen bösartige Mann. Ob es die Hitze ist oder doch der Alkoholmissbrauch, wie es ihm seine Schwiegermutter vorwirft, weiß man nicht genau. An sich erfährt der Zuschauer sehr wenig über die Umstände, die ihn wütend gemacht haben. Das Objekt seines Missfallens, seine Ehefrau, sieht man bis zu letzt nicht einmal. Dem Film geht es nicht darum, diesen Mann zu verurteilen oder zu bemitleiden. Den Zuschauer stösst er gleichermaßen ab, wie er ihn fasziniert.

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