„Meet the Fokkens“ von Gabrielle Provaas und Rob Schröder


Louise and Martine Fokkens: Die etwas anderen alten Damen, Foto: Pornfilmfestival Berlin

Louise and Martine Fokkens: Die etwas anderen alten Damen, Foto: Pornfilmfestival Berlin

Hochwertiger Service

Die Dokumentation „Meet the Fokkens“ von Gabrielle Provaas und Rob Schröder blickt auf das Leben zweier niederländischer Schwestern, die 50 Jahre als Prostituierte im Rotlichtmilieu gearbeitet haben. Louise und Martine, beide 69 Jahre alt, genießen ihr Leben, laufen durch die Straßen Amsterdams und reden über alles und nichts. Eine von beiden ist immer noch im Geschäft. Die andere musste wegen Arthritis aufhören.

Prostitution ist eine Dienstleistung, bei der es in erster Linie um Sex geht, aber wenn ein Kunde mit einem anderen Problem vorbeikommt, muss man wissen, wie man ihm hilft. „And we know so many tricks, the other girls don´t“, sagen die beiden alten Damen mit einem Lächeln.  Wenn man einen großen Teil seines Lebens im Fenster mit geöffneter Tür verbringt, weiß man eine Menge über die, die durch die Tür treten. Die beiden haben ein Leben lang einen „hochwertigen Service“ angeboten, der aber niemals nur aus bloßem Ficken bestand, denn viele ihrer Kunden brauchen schlicht „Aufmerksamkeit“.  Es gibt viele gute Männer unter ihren Kunden, erzählen die beiden und nicht alle kommen nur zum Vergnügen.

Die alten Damen sind in Amsterdam respektiert und wohl bekannt. Um von ihren Zuhältern loszukommen, eröffneten sie irgendwann ihr eigenes Bordell. Martine war mit 19 bereits dreifache Mutter, ihre Ehe nennt sie heute „Nine Years of Misery“ und ihren ersten großen Fehler. Ein weiterer Fehler war, sagt sie, die Prostitution. „I could have done everything and would have been successful“, erzählt sie weiter. Und das ganz ohne Ironie. In ihrer Freizeit, neben dem Job, malt sie und ironischer Weise reflektieren all ihre Bilder einen Aspekt des Rotlichtbezirks.

Meet The Fokkens“ führt uns zu den Anfängen der beiden Damen, beleuchtet sentimentale Orte und Menschen, die sie seit Jahren begleiten. Beide genießen ihr Leben, umgeben von Freunden und Künstlern tanzen sie und trinken Champagner, und gerade das ist es auch, was diese Dokumentation so bezaubernd macht. Ihre Falten, ihre tiefen, grünen Augen und ihre bunten Kleider lassen sie wie ganz normale alte Damen wirken. Doch gehen diese eben immer noch in Sex-Shops, um sich mit neuen Spielzeugen einzudecken. Das ist einerseits sehr amüsant, überdeckt aber nicht die sozialen Problemstellungen, denen etwa Martine noch heute ausgesetzt ist.

Obwohl sie weiß, dass sie bald aufhören muss, reicht ihre Rente zum Leben noch immer nicht aus. „Meet The Fokkens“ zeigt erstaunlich gut, dass Prostitution nicht nur ein Job und alles andere als zum Lachen ist, trotz der vielen heiteren Momente im Film. Hunderte von Touristen schlängeln sich jeden Tag durch das Rotlichtviertel in Amsterdam und denken, es handele hier nur um Unterhaltung. Es ist aber ein Arbeitsplatz. Und er wird es immer blieben. Schon allein weil Prostituierte wie jeder andere Arbeitnehmer  Steuern zahlen.

Jekaterina Petrova

Festivalbericht zum Porfilmfestival 2012