„Nachtzug nach Lissabon“ von Bille August


Die weichgezeichnete Kulisse verstärkt den Paul Coelho-Effekt. Foto: Sam Emerson / 2012 Concorde Filmverleih

Die weichgezeichnete Kulisse verstärkt den Paul Coelho-Effekt. Foto: Sam Emerson / 2012 Concorde Filmverleih

Revolution mit Weichzeichner

Als der Schweizer Lateindozent Raimund Gregorius in der Manteltasche einer unbekannten Frau, die er kurz vorher vom Selbstmord bewahrt hat, ein Buch des portugiesischen Arztes und Schriftstellers Amadeu de Prado findet, ändert sich sein bis dahin recht eintöniges Leben. Kurzerhand steigt er in den Nachtzug nach Lissabon und begibt sich auf die Spuren des Autoren. Schon bald erfährt er die Geschichte von Amadeu und seinen zwei Freunden, die sich zusammen im Widerstand gegen den portugiesischen Diktator António de Oliveira Salazar zusammen getan hatten. Während Gregorius die Fäden der Vergangenheit aufnimmt, verändert sich auch sein eigenes Leben.

Das Staraufgebot in der Literaturverfilmung von „Nachtzug nach Lissabon“ ist beeindruckend: Als Co-Produktion der Länder Deutschland, Portugal und der Schweiz punktet der Film von Bille August, der sich schon in „Das Geisterhaus“ mit Diktaturen und Widerstand beschäftigt hat, mit Jeremy Irons, der einen fabelhaften, kauzigen aber auch begeisterungsfähigen Gregorius abgibt. Bruno Ganz spielt Amadeus gealterten Freund Jorge, der in den Retrospektiven wiederum von August Diehl verkörpert wird. Charlotte Rampling gibt sich als neurotische Schwester von Amadeu die Ehre und Martina Gedeck taucht als eine charmante Optikerin auf, die Gregorius bei der Suche nach dem zweiten Kameraden, Joao Eca hilft.

Dass in dem Film konsequent englisch gesprochen wird, erscheint zunächst reichlich grotesk, zumal die Hälfte der Protagonisten über Siebzig sind und als mehr oder weniger bodenständige Portugiesen in ihrem Leben kaum über den Tejo hinausgekommen sein dürften. Selbst mit ihrem Dienstmädchen redet Schwester Adriana Englisch, als sie bei ihr einen Tee bestellt. Anders war aber wohl die Sprachbarriere einer solchen Großproduktion nicht unter einen Hut zu bekommen, im Zweifel muss dann wohl die Glaubwürdigkeit der Protagonisten in dem ein oder anderen Detail dran glauben.

Überhaupt ist die ganze Szenerie dieser Bestseller-Verfilmung reichlich glatt gebügelt und – abgesehen von den vielen Zigaretten, die geraucht werden – einigermaßen konservativ inszeniert. Die malerische, aber stets weichgezeichnete Kulisse von Lissabon der Sechziger Jahre verstärkt den Paul Coelho-Effekt, den man schon beim Lesen des Buches verspürte, wenn Gregorius aus dem Buch des Arztes tiefschürfende Weisheiten über Leben und Tod, Liebe und Religion zitiert. Wo man als Leser getrost ein paar Absätze überspringen konnte, nimmt Bille August bei der Verfilmung glücklicherweise einen gezielten Fokus ein.

Da ist zum einen die Geschichte des einsamen Dozenten Gregorius und die Art, wie er durch sein Nachfragen und Hinterlaufen, Zuhören und Teilnehmen die Liebesgeschichte zwischen Amadeu de Prada (Jack Huston) und der schönen Estefania (Mélanie Laurent) aufleben lässt, die als die „Frau, die alles weiß“ ebenfalls an der Gruppe beteiligt war und mit ihrem Wissen um die geheimen Unterstützer der Revolution eine Schlüsselfigur im Kampf gegen den sogenannten „Estado Novo“ abgibt. Und es ist zum anderen die Geschichte der Diktatur selbst, die bis heute in Portugal wenig aufgearbeitet wurde. Schade eben nur, dass Martina Gedeck am Ende quasi als Sinnbild für den soften Look der Inszenierung in einem rosa Kostüm, rosa Highheels und rosa Lippenstift am Bahnhof steht, als sie Gregorius bittet, zu bleiben – aber wirklich stören tut es auch nicht.

Cosima Grohmann

Nachtzug nach Lissabon Regie: Bille August, Darsteller: Jeremy Irons, Martina Gedeck, Charlotte Rampling, Bruno Ganz, August Diehl, Christopher Lee, Burghart Klaußner, Kinostart: 7. März 2013