„La ciénaga“ von Lucrecia Martel



Der Film hat eine nur schwache übergreifende Handlung, er reiht im Wesentlichen lose komponierten Einzelszenen aneinander. Spannendes oder dramatisch Zuspitzendes spart die Autorin aus und erzeugt dadurch einen impressionistischen Charakter der Erzählung. Martel setzt auf eine unruhige Kameraführung, geht nahe an die Gesichter heran und erweckt den Eindruck einer Dokumentation.

Die Form korrespondiert mit dem Inhalt. Im trägem Erzählfluss spiegelt sich die Ziellosigkeit und Depressivität wider, die den Alltag der meisten Protagonisten prägen. Mecha und ihr Mann haben den Lebensmut verloren, sie sind dem Alkoholismus verfallen, und die Kinder wissen ebenso wenig mit ihrer Zeit anzufangen. Die Darstellung kann entweder als Kritik an der Dekadenz der gehobenen Mittelschicht Argentiniens gedeutet werden oder man sieht darin ein anti-illusionistisches Gemälde der menschlichen Lebensrealität an sich. Der Film vermeidet offenen Humor, schildert seine Figuren nüchtern und emotionslos, manchmal zeigt er eine unterschwellige Ironie wie in den Kontroversen zwischen der Hausherrin und ihren Angestellten.

Martels Entwurf lässt an Vorbilder des südeuropäischen Kinos der Nachkriegszeit denken, etwa Fellinis „La dolce vita“ oder „Giulietta degli spiriti“ oder Antonionis Filme der gleichen Epoche. „La ciénaga“ überzeugt durch seine Konsequenz auf formaler wie thematischer Ebene.

Der Film trug Martel mehrere internationale Preise und die Mitgliedschaft in der Jury der Cannes und Berliner Feststpiele ein und die Förderung der Brüder Almodóvar. Seither hat sie zwei weitere Langspielfilme herausgebracht, in „La niña santa“ (2004) besetzt sie die Hauptrolle wieder mit Darstellerin Mercedes Morán aus „La ciénaga“ und zeichnet ein ähnliches Gesellschaftsbild. Mit ihrem dritten Film „La mujer sin cabeza“ (2008), eher als Thriller angelegt, schlägt Martels einen neuen Ton an.

Teresa Vena

La ciénaga„, Regie: Lucrecia Martel, Darsteller: Graciela Borges, Mercedes Morán, Martin Adjemián, Daniel Valenzuela

Termin beim „Nuevo cine argentino“ im Haus der Kulturen der Welt:

Samstag, 19. September 18 Uhr

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