„Nur ein Augenblick“ von Randa Chahoud


Lillys überdeutliche Gefühlskälte, die ihre Funktion innerhalb der Geschichte hat, mutetet manchmal zu plump an. Hier spielt der Film leider mit dem häufig entzündeten Klischeefeuer von Charaktermentalitäten nordeuropäischer, tougher Frauen. Im letzten Drittel überschlagen sich die Ereignisse, wie im Großteil des Films. Es scheint, als habe sich Chahoud etwas zu viel vorgenommen, der ein oder andere Erzählstrang weniger hätte dem Gesamten mehr Tiefe verliehen, vor teilweisen psychologischen und situativen Simplifizierungen bewahrt (etwa die Hintergrundstory um Lillys Vater) und der Grundgeschichte mehr Vertrauen geschenkt. Nichtsdestotrotz schafft Chahoud es, ihr Publikum zum Denken anzuregen, über den eigenen moralischen Tellerrand hinauszublicken und Empathie anzuregen ohne in ein Opfernarrativ abzudriften.

Die deutsch-britische Produktion setzt für die Szenen im Kriegsgebiet viel auf VFX, was stellenweise eine steriles Ambiente erzeugt. Dafür hingegen sorgen die von syrischen Musiker*innen komponierten Songs für eine einzigartige Atmosphäre. Chahoud war es zudem wichtig, das Team vor und hinter der Kamera auch mit syrischen Crewmitgliedern zu besetzen. So gibt sie nicht nur den Schicksalen von syrischen Oppositionellen und Opfern der Kriegswirren eine Stimme, sondern geht auch einen Schritt in Richtung einer vielfältigeren Besetzungspolitik.

Bianca Jasmina Rauch

Nur ein Augenblick“, Regie: Randa Chahoud, Darsteller: Mehdi Meskar, Emily Cox, Kinostart: 13. August 2020

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