„Parchim International“ von Stefan Eberlein


Der Chinese Jonathan Pang unterschätzt ein wenig, dass im föderalen Kapitalismus manche Mühlen langsam mahlen. © Neue Visionen Filmverleih

Der Chinese Jonathan Pang unterschätzt ein wenig, dass im föderalen Kapitalismus manche Mühlen langsam mahlen. © Neue Visionen Filmverleih

Ein utopischer Traum vom Frachtflughafen?

Eine Flughafenlandebahn und weit und breit nur Grasflächen und sich im Wind wiegende Bäume. Auf diesem beschaulichen Stück Land, dem Flughafen Parchim, soll ein Frachtflughafen internationaler Relevanz samt Handelszentrum nach chinesischem Vorbild entstehen. Klingt merkwürdig? Ist es auch.

Parchim ist ein idyllisches Kleinstädtchen zwischen mecklenburgischen Wäldern, Wiesen, Flüssen und Seen. Das touristische Highlight dürften derzeit wohl die zwei Kirchen im Ortskern sein sowie der See, in dessen Mitte eine Wasserfontäne munter vor sich hin plätschert. Die Lage der Kleinstadt zwischen Hamburg und Berlin hat der Chinese Jonathan Pang als ideal auserkoren, um seine Visionen auszuleben. In seiner Heimat Peking führt er ein Logistikunternehmen und hat 2007 mitten in Mecklenburg einen kleinen Flughafen gekauft, der seit geraumer Zeit ungenutzt ist. Geht es nach Pang soll sich das alles ändern – unmittelbar und sofort. Ein riesiger Flughafen, an dem Produkte aus dem asiatischen Raum importiert werden, ein Handelszentrum und ein künstlich angelegter Berg mit dekorativen Wasserläufen sind nur Bruchstücke seiner Pläne. Die Projekte versprechen jede Menge für die Region: Unter anderem stellt sich Pang die Schaffung von einer bis hin zu zehn Millionen Arbeitsplätzen vor. Auch wenn die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland höher sein mag als an manch anderen Orten, fragt man sich doch, wo diese Masse von arbeitssuchenden Leuten herkommen soll. Immerhin umfasst die gesamte Gemeinde Parchim nur rund 17.000 Einwohner.

Vor den Toren der Stadt, umsäumt von Feldern, Wiesen und einer Bundesstraße, liegt der mehr oder weniger verlassene Flughafen. Lediglich Trainingsflüge steuern diesen derzeit an und sogar diese sorgen bei den Bewohnern des beschaulichen Städtchen hin und wieder für Aufruhr. In der Dokumentation „Parchim International“ fallen Sätze wie „Parchim wird der Ort sein, an dem Europa und Asien zusammenkommen“. Derartige Aussagen von Jonathan Pang erscheinen doch zu euphorisch, wenn man weiß, dass sehr viele Rentner in Parchim leben und wohl höchstens die Gymnasiasten im Ort fließend Englisch sprechen dürften. Wo Hasen über die Landebahn hoppeln, auf der Suche nach dem nächsten saftigen Grasbüschel, rückt ein Großprojekt in unvorstellbare Ferne.

Es wirkt nahezu absurd, die Bilder der Zukunftsvisionen mit der derzeitigen Realität zu vergleichen. Anstelle einen Flughafenkomplex zu errichten, hat der Chinese bisher nur einen Tower und die Landebahn erneuern lassen. Die getätigten Versprechen seitens der Investoren und das Geschehen auf dem Flughafen mitten auf dem platten Land stehen in keinem Verhältnis. Die handvoll Angestellte, die der Flughafen zurzeit zählt, ist etwas verunsichert, wann denn nun was passieren soll. „Entweder man glaubt daran oder man glaubt nicht daran“, fasst einer der Mitarbeiter seine Meinung zum Projekt mit norddeutscher Schlichtheit zusammen.

Jonathan Pang pendelt regelmäßig zwischen seiner Logistikfirma in Peking und seinem Flughafen in Parchim. Mit beiden Städten prallen zwei Welten aufeinander. Pangs Visionen für den Flughafen Parchim treffen in ihrem chinesischen Optimismus auf deutschen Pragmatismus, sodass auch die Beamten in Parchim Mühe haben, ihre Gesichtszüge im Zaum zu halten, angesichts der vorgetragenen Pläne von Pang. Die Skepsis ist ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben. Doch eines muss man dem chinesischen Geschäftsmann lassen: er ist fokussiert und in seinem Vorhaben unerschütterlich.

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