„Starlet“ von Sean Baker


Risse in der Figur der blonden Schönheit. Foto: Augusta Quirk, Rapid Eye Movies

Risse in der Figur der blonden Schönheit. Foto: Augusta Quirk, Rapid Eye Movies

Bingo!

Filmemacher Sean Baker inszeniert in diesem Kleinod des amerikanischen Independent-Kinos auf sensible Weise die Geschichte zweier starker Frauen, die sich im Schatten der etwas „anderen“ Traumfabrik durchschlagen. Durch Zufall trifft die 21-jährige Pornodarstellerin Jane auf die 85-jährige Witwe Sadie. Fernab jeglicher Klischees und mit zwei großartigen Debütantinnen vor der Kamera schildert Baker, wie aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft eine aufrichtige Freundschaft wird – und findet wunderschöne, sommerwarme Bilder dafür.

Am Anfang sehen wir nur einen blonden Haarschopf. Nach einer kurzen Weile taucht das verschlafene Gesicht der 21-jährigen Jane auf und ein wenig später wühlt sich ihr Chihuahua Starlet durch das Bettdeckendickicht auf die Leinwandoberfläche. Jane ist eine der beiden Protagonistinnen, um die Sean Baker in seinem Film „Starlet“ eine zauberhaft poetische, äußerst gefühlvolle Geschichte über Freundschaft, Schönheit und Einsamkeit entspinnt. Auf einem Flohmarkt kauft Jane der 85-jährigen Sadie eine Thermoskanne ab. Kurze Zeit später entdeckt sie darin 10.000 Dollar. Doch alle Versuche, der mürrischen alten Dame davon zu erzählen, scheitern. Jane lässt sich aber nicht so leicht abschütteln. Das klingt zunächst nach einem vorhersehbaren Plot.

Doch Sean Baker gelingt es ganz subtil, den Zuschauer immer wieder zu überraschen. Verharrt die Kamera bisweilen auf Janes wunderschönem Gesicht oder ihren langen Beinen, verlagert sich im Verlauf des Films der Blickwinkel. Fast beiläufig erfahren wir nach gut 40 Filmminuten, dass Jane in der Pornoindustrie ihr berufliches Zuhause hat. Plötzlich tauchen Risse in der Figur der blonden Schönheit auf, die von Dree Hemingway mit überzeugender Intensität gespielt wird. Kaum zu glauben, dass sie genauso wie auch Besedka Johnson als Sadie ihr Leinwanddebüt gibt. In sonnendurchfluteten Bildern erzählt Baker nicht nur von den Schattenseiten der kalifornischen Traumfabrik. Für die aufkeimende Freundschaft zwischen den beiden sympathischen Heldinnen, die den eigentlichen Hauptschauplatz des Filmes gibt, spielen diese keine Rolle. Gerade die Zurückhaltung, mit der Baker sich gesellschaftskritischen Themen widmet und sein Augenmerk zugleich auf ganz banale, aber essenzielle Dinge im Leben richtet, ist das größte Verdienst dieser kleinen amerikanischen Indie-Wunderperle.

Eileen Reukauf, mit freundlicher Genehmigung des Leipziger Stadtmagazins Kreuzer.

StarletRegie: Sean Baker, Drehbuch: Sean Baker, Chris Bergoch, Darsteller: James Ransone, Stella Maeve, Dree Hemingway, Besedka Johnson, Karren Karagulian, Kinostart: 9. April 2013