„Tchoupitoulas“ von Bill und Turner Ross


Eine Nacht im Leben dreier heranwachsender Brüder. Foto: Unknown Pleasures

Eine Nacht im Leben dreier heranwachsender Brüder. Foto: Unknown Pleasures

Hommage an New Orleans – und an die Jugend

Kathryn Bigelow, Michel Gondry, Quentin Tarantino: Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass das Unknown Pleasures einen neuen Namen benötigt. Denn so ungekannt sind diese Freuden nicht. Doch das Festival ist nach wie vor im tiefsten amerikanischen Indie-Kino beheimatet. Das beweisen Filme wie Tchoupitoulas, den die Regiebrüder Bill und Turner Ross aus dem beschaulichen Ohio im feinsten DIY-Stil per Crowdfunding finanziert haben.

Der stark dokumentarisch gehaltene Spielfilm verfolgt eine Nacht im Leben dreier heranwachsender Brüder, vermutlich im Alter zwischen 11 und 16 Jahren. Diese reisen, gemeinsam mit ihrem niedlichen Hund Buttercup, auf einer Fähre in eine andere Welt: über den breiten Mississippi, raus aus der grauen Vorstadt und hinein in das pulsierende Leben von Downtown New Orleans. Der dortigen Tchoupitoulas Street hat der Film auch seinen zungenbrecherischen Namen zu verdanken. Als die Jungs ihre letzte Fähre nach Hause verpassen, wird aus dem abendlichen ein nächtliches Abenteuer.

Die Kamera folgt den drei staunenden Jugendlichen auf Schritt und Tritt, fängt dabei meist eher Konversationsfetzen als echte Dialoge auf. Partyvolk, Straßenmusiker, Künstler, Touristen, Prostituierte: Im berühmten French Quarter können sich neugierige Augen kaum satt sehen. Selbst der (eigentlich unsichtbare) Kameramann kann hin und wieder nicht an sich halten und verlässt die drei Brüder kurz, um einen Blick hinter die glitzernden Kulissen der Jazz-Metropole zu werfen. Dort verbergen sich schlecht singende Transvestiten, wild flirtende Muschelverkäufer oder eine Burlesque-Tänzerin, die der berühmten Josephine Baker alle Ehre macht.

Unversehens finden wir uns in einer liebevollen, dokumentarischen Hommage an die Stadt New Orleans wieder. Die beiden Regisseure schnappen kurze Gespräche, feinfühlige Einstellungen, schräge Charaktere und viel Straßenmusik eher auf, als dass sie sie inszenieren. Gleich dem mächtigen Mississippi fließen die Bilder und Eindrücke über die Kinoleinwand, nur ab und an unterbrochen von den philosophischen Gedanken und Träumen des Jüngsten der drei Brüder, die uns aus dem Off präsentiert werden.

Spätestens als die Jungs am Hafen der Stadt ein Schiffswrack finden und beginnen, dieses mutig zu erkunden, wird jedoch klar, welch melancholische Geschichte der Film wirklich erzählen will: Die Welt wird nie wieder so faszinierend, so spannend, so aufregend, so ungewöhnlich sein, wie damals, als wir sie durch jugendliche Augen betrachtet haben. „Now we are men“ fasst einer der Brüder den Erkundungstrip auf dem alten Dampfer zusammen. Und so ist Tchoupitoulas letztendlich doch mehr als nur eine Dokumentation über New Orleans bei Nacht.

Peter Correll