„The Congress“ von Ari Folman



Der Mensch ist unter diesen Umständen austauschbar, was zählt ist das Bild, das von einer Person existiert. Es ist verkäuflich, anpassbar und auf den benötigten Zuschnitt reduziert. Ari Folman trifft mit dieser Essenz eine sehr kluge Aussage über die heutige US-amerikanische Filmwirtschaft und Hollywood, das sich vor allem aus kommerziellen Erwägungen heraus in einem endlosen Kreislauf aus Sequels, Prequels und Comicverfilmungen befindet. Der Film als Kunstform kommt, gerade in Hollywood, heute kaum noch vor. Da wäre der Schritt, Schauspieler und Persönlichkeiten in maßgeschneiderte Digitalkopien zu transformieren, durchaus vorstellbar.

The Congress“ kommentiert aber nicht nur das Zerrbild dieser Kunstindustrie. Mit der Frage nach dem „individuellen Gehalt“ einer Person geht es hier auch um den uralten Gedanken, der fragt, was einen Menschen einzigartig macht und wie der Mensch überhaupt im Stande ist, die Welt nicht nur als unmittelbare Offenbarung sondern als begreifbar zu denken. Robin Wright muss im Film darum auch ihre Persönlichkeit abtreten und Jahre später erkennen, eben auf einem Kongress der Filmwirtschaft, dass die Gesellschaft nicht nur Persönlichkeiten digitalisiert, sondern sich selbst in eine Welt transferiert hat, in der das Reale einer immerwährenden Fiktionalität unterworfen ist. Darin unterscheidet sich Ali Folmans „The Congress“ von Lems 1972 erschienener Zukunftsparabel. Wo Lems Held Ijon Tichy über eine Zukunft spricht, in der sich die Menschheit in einer von Drogen induzierten Wirklichkeit verloren hat, kommt Formans Kongress einem Damoklesschwert gleich, das drohend auf die Kommerzialisierung aller Lebensbereiche zeigt. In dieser schillernden, digitalen Welt ist alles eine bequeme Referenzen, eine Möbiusschleife, in der der Mensch das ihm Ureigene aufgegeben hat – die Schöpfungskraft.

Martin Daßinnies

The Congress Regie/Drehbuch Ari Folmann, Darsteller: Robin Wright, Paul Giamatti, Harvey Keitel, Michael Stahl-David, Kodi Smit-McPhee, Michael Landes; Kinostart: 12. September 2013, DVD-Verkauf ab 13. Juni 2014

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