„The Fifth Season“ von Jessica Woodworth und Peter Brosens


"The Fifth Season": Die Geschichte einer Gesellschaft, die nicht mehr blüht.

"The Fifth Season": Die Geschichte einer Gesellschaft, die nicht mehr blüht.

Sakrale Lyrik

Die Welt ist ein Theater (theatrum mundi). Diese Erkenntnis hatte man bereits im 16. Jahrhundert. Alles Geschehen hat einen Schauwert und dieser ist narrativ reproduzierbar. Bilder, ob gemalte oder fotografierte, Film- oder Theaterbilder,  sind Schauwerte. Sie machen die Geschichten der Welt im Großen wie im Kleinen sichtbar, lassen hineinblicken in globale Lebensläufe und –zusammenhänge, sind Dokumente, Metaphern oder Interpretationen. In Jessica Woodworths und Peter Brosens letztem Teil ihrer Trilogie zum Thema Natur und Umwelt sind diese Bilder apokalyptisch. Bedrohlich kündigen sie den Niedergang einer Gesellschaft an. Die Welt steht Kopf im Film „The Fifth Season„.

Auch in hiesigen Breitengraden steht die fünfte Jahreszeit sinnbildlich für die verkehrte Welt. Narren übernehmen die Herrschaft, um mit teuflischem aber lebenserweckendem Lachen alte Wintergeister zu vertreiben. Im Film dagegen gibt es kein Gelächter, wird die fünfte Jahreszeit zur existentiellen Herausforderung. Ein seltsamer Zauber, ja Fluch hat das Land offenbar in seinem Bann. Der Winter lässt sich nicht mehr mit den herkömmlichen Traditionen vertreiben. Die domestizierte Natur begehrt auf, entzieht sich menschlicher Kontrolle und Beherrschung. Die Routine ist gestört. Zeit und Bilder stehen still, nichts geht mehr. Der Hahn singt nicht mehr, wenn er soll, die Kühe geben keine Milch mehr, wenn sie sollen, selbst der Boden verweigert sich Maschinen, Spaten und Händen. Schnell stoßen unter diesen Voraussetzungen die Menschen an ihre Grenzen und verlieren den Kitt aus ihrem sozialen Gefüge. Auf die Suche nach Erklärungen folgt die Suche nach dem Sündenbock.

In Bildern, die an die sakrale Lyrik eines Caspar David Friedrichs und die Sittengemälde der frühen niederländischen Genremalerei erinnern, beschreibt „The Fifth Season“ die Geschichte einer Gesellschaft, die nicht mehr blüht. Einem Wimmelbild ähnlich inszenieren die beiden Regisseure Bild für Bild den Zerfall einer von irrationalen Kräften bedrohten Gesellschaft. Erst nach und nach fügen sich Bewegung, Bild, Musik und Geschichte wie in einem animierten Gemälde zu einem großen Ganzen. Woodworth und Brosens sind zwei herausragende Filmemacher, die mit ihren Filmen oft gleichnishafte Gesamtkunstwerke erschaffen, mit denen sie vor allem eins lehren: Demut.

SuT