„The Lobster“ von Yorgos Lanthimos


Lea Seydoux in Yorgos Lanthimos "The Lobster". © Images courtesy of Sony/Park Circus

Lea Seydoux in Yorgos Lanthimos „The Lobster“. © Images courtesy of Sony/Park Circus

Amour Fou

In einer Welt, in der das Maß aller Dinge von der gemeinsamen Schnittmenge zwischen Paaren bestimmt wird, regiert ein absurdes Übermaß an Gleichklang. Eine absonderliche Vorstellung von gesellschaftlicher Einheit, die aber durch die vermeintliche gemeinschaftliche Harmonie vor allem Ruhe im Dschungel der Gefühle zu sein verspricht. Yorgos Lanthimos neuer Geniestreich beschreibt eine düstere Gesellschaftsvision, in der die Liebe auf den höchsten Übereinstimmungsquotienten zwischen zwei Menschen reduziert wird. Doch was, wenn das eigene Leben von diesem Kongruenzfaktor abhängig wird, weil die Gesellschaft nur Paare akzeptiert und Singles in Resozialisierungszentren schickt, zur möglichst schnellen (Zweier-)Beziehungsfindung? Die Lösung kann nur heißen, was nicht passt, wird passend gemacht. Aber kann eine dauerhaft funktionierende Beziehung auf Lügen aufbauen?

Als David (Colin Farrell), dessen letzte Beziehung elf Jahre und einen Monat dauerte, das erste Mal in seinem Leben allein dasteht, führt auch sein Weg zurück in die Gesellschaft nur durch das Resozialisierungsprogramm für Partnerlose. Ein weit abgelegenes Hotel mit eher luxuriöser Ausstattung aber doktrinärer Ordnung dient als Sammelstelle für Alleinstehende. In einheitliche Uniformen gesteckt und in jeglicher Hinsicht ihrer Individualität beraubt, bekommen die Internierten hier eine Galgenfrist von nur 45 Tagen, um ihr perfektes Match zu finden.
Dieses Zeitintervall kann jedoch durch eine bizarre Jagd auf die eigenen Mitkonkurrenten verlängert werden. Misslingt ihre Parship-Mission aber, werden sie endgültig aus der Gesellschaft gestoßen und in ein Tier ihrer Wahl verwandelt. David würde sich dann in einen Hummer umwandeln lassen. Denn die werden nicht nur 100 Jahre alt und sind ihr gesamtes Leben fruchtbar, sondern sind immerhin auch von blauem Geblüt und lieben die See. Clevere Entscheidung.

Genauso clever wie die Strategie, die sich der eher unauffällige, brünette Mann mit Schnauzer und Brille überlegt hatte, um seine anderthalb Monate für seine Partnersuche möglichst effizient nutzen zu können. Doch die Option „bisexuelle Präferenz“ ist leider nicht mehr im Angebot. Er hat also keine Wahl und muss durch die harte Schule, die ihm und seinen Leidensgenossen mittels theatraler Erklärstücke oder auch mal durch das Abbinden eines Armes nur allzu deutlich macht, warum ein Partner im Leben so zwingend erforderlich ist.

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