„The Punk Syndrome“ von Jukka Kärkkainen und JP Passi


Liebe, Lampenfieber und die Leidenschaft zum Punkrock. Foto: Too Drunk to Watch"

Liebe, Lampenfieber und die Leidenschaft zum Punkrock. Foto: Too Drunk to Watch"

„Du bist nicht normal, ihr seid nicht normal.“

Was passiert, wenn man vier Männer mit geistiger Behinderung zu einer Band formiert? Die Antwort ist: Punkrock. Der Dokumentarfilm „The Punk Syndrome“ erzählt die Geschichte von vier finnischen Männern, die den Punkrock leben, ohne sich zu verstellen.

Regisseure Jukka Kärkkainen und JP Passi sind mit ihrer Kamera nah bei den Bandmitgliedern, zeigen sie in intimen Momenten wie beim Duschen, beim Tagebuchschreiben oder bei gemeinsamen Konzerten in Clubs. Jedes Bandmitglied von Pertti Kurikan Nimipäivät (dt.: Pertti Kurikans Namenstag) wird sowohl ganz für sich in seinem eigenen Alltag, mit den eigenen Marotten begleitet als auch zusammen mit der Band. Vor allem der Wechsel zwischen Einzel- und Gruppenaufnahmen verdeutlicht die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die alle vier haben. Kärkkainen und Passi meistern es, hinter die Behinderung zu blicken, die sie an den Rand der Gesellschaft drängt und schafft es, sie darzustellen, so ehrlich wie sie sind. Da ist Sami, der sich für Politik interessiert und beim Wahlkampf für die finnische Zentrumspartei mithilft. Er trifft auf die Spitzenkandidatin bei einer Wahlkampfveranstaltung, die offensichtlich nicht mit seinen aufrichtigen Gratulationen für ihre Arbeit umgehen kann und die Publicity vom Filmteam für sich nutzen möchte. Am Ende ist Sami es, der echte Krokodilstränen weint, als die konservative Partei bei den Wahlen verliert.

Es geht um Ehrlichkeit. Die Band ist authentisch. Sie meinen, was sie sagen. In der Anfangssequenz des Films sitzen alle vier auf dem Sofa und bekunden, dass sie die beste Band des Landes sind. Ein Spruch, den wohl jede Rockband von sich aus sagt, zumindest seit Oasis. Doch schnell wird klar, dass ihre Attitüde von Herzen kommt und sie es nicht ironisch meinen. Die kindlich naive Offenheit ist es, die alle vier inne haben und dem Zuschauer bewusst werden lässt, wie wenig der eigene Alltag noch mit so einer blanken Ehrlichkeit gemein hat. Wer antwortet tatsächlich noch ehrlich auf die Frage „Wie geht’s?“. Natürlich sagen Sami, Pertti, Toni und Kali viele Floskeln auf, die sie aufgeschnappt haben. Das wird klar, wenn sie Sprüche raushauen, wie „Und am Ende des Gigs mache ich mir eine Frau klar, das macht man so, wenn man in einer Band ist“. Doch in dem Moment, ist es ihr Ernst. So wie sie es mit ihrem Punkrock ernst meinen. Sie prangern ihre Position am Rand der Gesellschaft an, besingen den Geschmack von Kaffee und ihren Hass auf Pediküre.

Der Film lebt auch von den absurden Momenten, etwa wenn Kari bei der behassten Pediküre sitzt, einsilbige Antworten gibt und schmollt. Oder Namensgeber der Band Pertti, der den Zwang hat am Bund von Jacken mit dem Finger entlangzufahren und dabei zu zischen. Der Film ist ein Blick in die Welt der vier Männer. „The Punk Syndrome“ hat keinen Erzähler, es kommt keine Stimme aus dem Off, die erklärt, welche Behinderung welches Mitglied hat. Das ist auch nicht wichtig. Die Musiker erzählen ihre Geschichten selbst. Sie äußern das, was sie bewegt. Sie erzählen von Liebe, Lampenfieber und ihrer Leidenschaft zum Punkrock. Sie werden weder vorgeführt, noch kommt das Gefühl auf, sie auf irgendeiner Weise bemitleiden zu müssen. Denn sie haben sowieso mehr geschafft als die meisten, sie sind Punkrockstars.

Laura Varriale