„The Seasoning House“ von Paul Hyett
Problematischer Genremix
Widersprüchlich nahm das Fantasy Filmfest-Publikum an diesem Wochenende den britischen Beitrag „The Seasoning House“ auf. Paul Hyett, der bislang eher als Meister der Make-up-Effekte und „Herr der Masken“ in Erscheinung trat, stellte sein Regiedebüt nun auch in Berlin vor. Fans bestienartiger Kreaturen wurden allerdings enttäuscht. Statt Monster und Mutanten – Kriegsrealismus vom Balkan. Hyett wollte diesmal, wie er im anschließenden Publikumsgespräch erwähnt, die wirklichen, die im Krieg geborenen Ungeheuer und Monster in den Fokus rücken.
Basierend auf wahren Begebenheiten, zeigt der Film die Geschichte von verschleppten Mädchen auf dem Balkan, die in Zeiten des Krieges in sogenannten „Seasoning Houses“ als Sexsklavinnen missbraucht werden. Auch Angel endet in so einem Bordell, einem verlassenen, vermutlich ehemaligen Hotel irgendwo in einem abgelegenen Waldstück. Aus der Perspektive der Taubstummen mit dem Muttermal beschreibt Paul Hyett die sexuellen Gewaltorgien und die Ausweglosigkeit der Mädchen, die einmal hier gelandet nie mehr entkommen können. Vom Zuhälter als Komplizin und persönliche Gespielin gehalten, muss Angel die ans Bett gefesselten Mädchen für die Gäste vorbereiten und später die Mädchen und deren Wunden versorgen. Die Ausweglosigkeit hat sie scheinbar teilnahmslos gemacht, routiniert geht sie in ewigen Kreisen durch das Haus und verrichtet wieder und wieder die gleichen Arbeiten, bis sie auf Alexa trifft.
Die Idee, den alltäglichen Horror für Frauen in Kriegsgebieten in einem Horrorfilm zu verarbeiten, wirkt von Anfang an deplatziert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Hyett allzu sehr auf klischeehafte Horrorfilmkonventionen setzt und den eher realmenschlichen Monstern primitive Fratzen gib. Hier treffen beleibte Männer in Pelzmänteln oder Retrolederjacken mit fettigen aber fein gelegten Haaren und rauchigen Stimmen auf Boxernasen, einen fleischgewordenen, glatzköpfigen Robocop und zarte aber zähe Mädchen. Wie oft im Horrorgenre weichen auch hier die Charaktere schablonenartigen Figuren. Und auch Zeit und Raum sind ähnlich stereotyp inszeniert.
Paul Hyett versucht den alltäglichen Kriegshorror und seine menschlichen Monster in die surreale Welt eines Horrorspektakels zu holen, was in diesem Fall geschmacklos ist, da er das Genre verkennt und dramatische realexistentielle Geschehnisse zur oberflächlichen Unterhaltung benutzt. Auch mit einem im Showdown erkennbarer Ansatz, den Mädchen eine Stimme zu geben und ihnen Rache zu gewähren, gelingt es dem Regiedebütanten nicht den wirklichen Horror herauszuarbeiten, vermutlich auch, weil er offenbar nicht wagte, die gesamte Dimension des Horrors, die seine Recherchen ergaben, auf die Leinwand zu bringen. Ein Antikriegsdrama zum Thema wäre erzählerisch wahrscheinlich vielversprechender gewesen.
SuT