„Welcome Goodbye“ von Nana A.T. Rebhan



Der Künstlerin Michi Hartmann wurde wiederum jenes Insiderwissen zum Verhängnis, ihr Wohnhaus in Prenzlauer Berg steht wegen der Unmengen an Graffiti-Tags inzwischen als Geheimtipp in jedem Reiseführer. Mehrmals täglich kippen die Reisebusse neue Besucher in ihren Innenhof, die wenig Verständnis für die Privatsphäre der Mieter aufbringen. Schließlich sind sie doch gekommen, um einmal „das echte Berlin“ anzuschauen. Damit ist jetzt Schluss, zumindest für Michi Hartmann. Die ist inzwischen weggezogen.

Auch in der Politik ist man sich nicht einig, wie und ob man dem Touriboom in Berlin überhaupt Einhalt gebieten sollte. Kreuzbergs Ex-Bürgermeister Franz Schulz spricht vom „Vernutzen“ der Kieze, in die die Rollkoffer-Armeen immer weiter vordringen, seitdem die Standardsehenswürdigkeiten in Mitte ein bisschen langweilig geworden sind. Tourismus-Manager Burkhard Kieker tut sich hingegen mit dem Vorwurf der Gentrifizierung schwer, schließlich sei das in New York ja alles noch viel schlimmer und immerhin „sind wir nun mal die Hauptstadt, Donnerwetter!“. Außerdem hat Fremdenhass in Berlin schließlich nichts verloren. Doch je mehr Menschen sich in den Etagenbetten der Billigabsteigen stapeln, umso mehr stapelt sich auch der Müll, der Krach und die Mietpreise. „Welcome Goodbye“ macht kein Geheimnis daraus, dass auf beiden Seiten der Debatte die Waagschalen mit zahlreichen Argumenten gefüllt sind. Als intelligent gemachter Dokumentarfilm reicht er die anschließende Urteilsbildung jedoch kommentarlos an den Zuschauer weiter.

Paradox bleibt trotzdem, dass die, die am meisten über die Touri-Seuche wettern, oftmals selbst nur Zugezogene sind. Der Übergang vom Touristen zum Berliner verläuft häufig fließend. Viele, die nun dauerhaft in Berlin leben, standen selbst einmal bepackt mit ihren wenigen Habseligkeiten am Hauptbahnhof und studierten verzweifelt den Streckennetzplan der BVG, noch nicht wissend, dass diese Stadt eines Tages ihr neues Zuhause sein könnte. Tamar aus Israel war nicht klar, dass sie länger bleiben würde, als sie Berlin zum ersten Mal besuchte. Mittlerweile hat sie ein eigenes Atelier und lebt von ihrer Kunst. Heute kocht sie mit ein paar Freunden – und Christian, der Urberliner, ist auch dabei. Ein Bild des Idealzustands, das nicht zwingend als illusorisch verstanden werden muss. Man stelle sich Berlin ohne seinen charakteristischen Mix aus diversen Menschen und Kulturen vor, zu dem Touristen, Erasmus-Studenten, Künstler, Dönerverkäufer, Spätkaufbetreiber, Wahlberliner und Urberliner alle gleichermaßen ihren Teil beitragen. Richtig, das geht nämlich gar nicht. Und wäre außerdem verdammt öde.

Alina Impe

Welcome Goodbye“ von Nana A.T. Rebhan,
Premiere (mit anschließender Premierenparty) am 28. Mai 2014 um 20 Uhr im Moviemento und ab dem 29.5.2014 im Moviemento und dem Kino Central

Ein ausführliches Interview mit „Welcome Goodbye„-Regisseurin Nana A.T. Rebhan könnt ihr hier bei Cinerama hören…

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