„Who Am I – Kein System ist Sicher“ von Baran Bo Odar



Der unzuverlässige Erzähler Benjamin wirkt, als habe man den Edward Norton-Charakter direkt aus der 1999er Fincher-Filmvorlage heruntergeladen, während sein Kumpel Max (Elyas M’Barek) sicher gerne so cool wie Tyler Durden wäre. Wenn nach gut drei Vierteln Spielzeit dann tatsächlich ein „Fight Club“-Poster im Kinderzimmer Benjamins auftaucht, ist das schon lange nicht mehr lustig, sondern wirkt nur noch penetrant.

Überhaupt sind sämtliche Nebenfiguren reine Stichwortgeber, die einzig und alleine zu existieren scheinen, um Lücken auszufüllen oder bestimmte Stereotypen zu besetzen. Niemals entwickeln sie wirklich Ausdruckskraft oder ein interessantes oder selbstbestimmtes Eigenleben. Mit gutem Willen ließe sich dieser Einwand vielleicht mit einer Argumentation vom Filmende her entkräften, nur würde diese Lesart letztendlich genauso ins Leere laufen, wie jeder andere Blick hinter die Hochglanz-Noir-Fassade. Es gibt keine Ausrede für diese wenig ausdefinierten Rollen, schon gar nicht, wenn sie mit namhaften Darstellern, wie Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot Jr. und Hannah Herzsprung besetzt sind.

Am Ende hat der Film sämtliche Möglichkeiten verschenkt, die Bilder seiner ansehnlichen Trailershow mit einer fesselnden und halbwegs glaubwürdigen Story versehen. Die Hackeraktionen werden schnell und weitgehend kontextlos abgehandelt, die Frage nach Identität wird niemals nachhaltig aufgegriffen oder in einen originären Bezugsrahmen gesetzt, aber auch die reine Actionthrillerebene kommt über das Nachstellen sinnentleerter Szenenversatzstücke bekannter internationaler Vorbilder nicht hinaus, weil kaum Zeit darauf verwendet wird, die existentielle Bedrohung der jeweiligen Situationen sorgfältig aufzubauen.
Das ist schade, denn formal ist „Who Am I“ ein Film, der dem deutschen Kino gut tut, weil er Lust auf Größe und Genre, auf Action und Thrill hat. Doch weil er sich damit nicht zufrieden geben, sondern auch noch einen smarten Twist nach dem anderen vollführen will, vergisst er den Kern seiner Geschichte – und scheitert auf ganzer Linie.

Jens Mayer

Who Am I – Kein System Ist Sicher„, Regie: Baran Bo Odar, DarstellerInnen: Tom Schilling, Trine Dryholm, Elyas M’Barek, Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot, Jr., Hannah Herzsprung, Kinostart: 25. September 2014

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