„Zero Dark Thirty“ von Kathryn Bigelow
Weibliche Intuition
Wie jeder weiß, ist Osama bin Laden tot. Dieser Fakt alleine nimmt Kathryn Bigelows Thriller „Zero Dark Thirty“ eine gewisse Grundspannung. So muss die momentan allgegenwärtige Jessica Chastain in den Streifen in eine persönliche Spielwiese verwandeln und dem Drehbuch sei Dank funktioniert das auch. Ihr Charakter Maya, eine CIA-Agentin aus Leidenschaft, muss ihre Vorgesetzen und Team davon überzeugen, dass Osama nicht in irgendeiner Höhle in Afghanistan aushaart. Es ist bekannt, dass bin Laden in Abbottabad, Pakistan seine letzten Jahre verbrachte. Umgeben von einer Pornosammlung, eingebunden in einen gewissen Komfort, war es in seiner näheren Wohnumgebung kein allzu großes Geheimnis, dass der ehemalige Chef der Al Quaida dort quartierte. Das verleiht dieser Person eine gewisse Ironie und nimmt ihm gleichzeitig jede Größe, die ein Partisan genießt und jeden Schrecken, von der ein Terrorist zehrt. Filmisch wurde das nicht verwertet. Ein Großteil der Zeit wird dazu benutzt, die altehrwürdigen Methoden der Spionage einer neuen wesentlich technisierteren Herangehensweise gegenüber zu stellen. Experten, die immerhin genau Bescheid wissen (müssten), mit welchen Techniken ihre Feinde so umgehen, können manchmal noch nicht einmal angeben, was eine terroristische Organisation vom ordinären Irren unterscheidet, außer dass sie sehr mächtig ist, mehr als zwei Leute umfasst und mit brachialen Mitteln nach dem Sieg strebt.
So gehen die ersten zwei Stunden auch dafür drauf, Maya-Nichtgläubige in Maya-Gläubige zu verwandeln. Dabei stehen die rechtlichen Probleme im Vordergrund. Falls ein Team von Navy Seals nämlich in das Land Pakistan einmarschiert und dort bin Laden nicht finden sollte, wären die Vereinigten Staaten bis auf die Knochen blamiert. Das wird glaubhaft vermittelt und hält auch den Zuschauer bei Laune, der sich auf einen zünftigen Knall-Bumm-Reigen einstellte. Der Subtext vehandelt natürlich den Typen-Gegensatz zwischen Macho Männern, die sich im Foltern sicherlich nicht ungeschickt erweisen und einer Frau, die ihre Vorstellungskraft mit beachtlicher Selbstsicherheit verteidigt. Die Bilder als Solche sind allerdings keine große Kunst. Der Standardthriller der letzten zehn Jahre mit seinen feinkörnigen Buchhalterbildern gibt der Wackelkamera eine Chance und so wird Verwirrung, Chaos und Hektik selbstredend verrutscht gezeigt. Man könnte sagen, die filmischen Effekte in der Thrillerbranche sind eben nun bald alle ausgereizt, und immer schwerer zu übertreffen. Aber genau diese Folgerung beruht auf der, besonders in Hollywood, verbreiteten falschen Annahme, unkonventionelle Kamerafahrten und spektakuläre Explosionen könnten allein schon Suspense bewirken. „Zero Dark Thirty“ macht sich leider allzu abhängig von seiner Hauptdarstellerin und der Intuition ihrer Figur. Eklige Randattraktionen sucht man vergeblich. So bleibt ein mittelmäßiger Thriller mit einer guten Hauptdarstellerin.
Joris J.
„Zero Dark Thirty“ Regie: Kathryn Bigelow, Darsteller: Jessica Chastain, Stephen Dillane, Kyle Chandler, Mark Duplass, Mark Strong, Jennifer Ehle, Harold Perrineau, Jason Clarke, Edgar Ramirez, Joel Edgerton, Scott Adkins, Frank Grillo, Chris Pratt, Kinostart: 31. Januar 2013